Titel: | Ueber die neueren Fabrikationsmethoden für Eisen und Stahl, sowie über die Qualitätseigenschaften und Erprobung dieser Materialien; von Franz Kupelwieser. |
Autor: | Franz Kupelwieser |
Fundstelle: | Band 250, Jahrgang 1883, S. 37 |
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Ueber die neueren Fabrikationsmethoden für Eisen
und Stahl, sowie über die Qualitätseigenschaften und Erprobung dieser Materialien; von
Franz
Kupelwieser.
Kupelwieser, über Herstellung und Erprobung von Eisen und
Stahl.
Wenn man von einzelnen wenigen Fällen, weiche jedoch ohne Einfluſs auf die
Groſsindustrie sind, absehen will, gehören die seit langer Zeit und auch gegenwärtig
noch allgemein in Anwendung stehenden Fabrikationsmethoden für Eisen und Stahl den
indirekten Prozessen an, da die Eisenerze auf Roheisen verschmolzen werden und
dieses unter Anwendung eines Oxydationsprozesses, bei welchem die im Roheisen
enthaltenen fremden Stoffe soviel als möglich abgeschieden werden, in weiches Eisen
oder Stahl übergeführt wird, je nachdem gleichzeitig eine vollkommenere oder minder
vollkommene Abscheidung des Kohlenstoffes erreicht wird.
Da im Roheisen stets eine gröſsere Menge von fremden Stoffen, welche aus den Erzen,
ja selbst aus dem Brennmateriale entnommen sind, enthalten ist, so werden die
Eigenschaften der Fabrikate des Eisens und Stahles abhängig sein von der Reinheit
des verwendeten Roheisens und von der mehr oder minder vollkommenen Abscheidung der
im Roheisen enthaltenen fremden Stoffe. Es werden dieselben aber auch davon abhängig
sein, ob das erzeugte Eisen oder der Stahl nach, Vollendung des Frischprozesses in
Form einer schwammigen Luppe oder in vollkommen geschmolzenem Zustande erhalten
wird. Je weniger Verunreinigungen im Roheisen enthalten sind, desto rascher, desto
vollständiger wird die Abscheidung der fremden Stoffe gelingen, desto
unvollkommenere Frischprozesse können in Anwendung gebracht werden, um noch ein den
Anforderungen der Industrie entsprechendes Product zu erhalten.
Die mehr oder minder vollkommene Abscheidung der Verunreinigungen wird abhängig sein
von dem in Anwendung stehenden Oxydationsprozesse, sowie von der Durchführung
desselben. Ob das Schluſsproduct nach Vollendung des Oxydationsprozesses in Form
einer schwammigen Luppe oder in vollkommen flüssigem Zustande erhalten wird, hangt
einzig und allein von der Schluſstemperatur des Prozesses ab.
Bei Anwendung der Herd- und
Flammofen-FrischprozesseHerd-Flammofen-Frischprozesse wird das Eisen, da die Schluſstemperatur nicht genügend hoch ist, um die
an und für sich streng flüssigen Eisenmassen zu schmelzen, in Form von lockeren,
schwammigen, von Schlacke durchdrungenen Massen erhalten, welche nur durch eine
energische mechanische Bearbeitung bei entsprechend hoher Temperatur von der
Schlacke annäherungsweise befreit werden können. Daſs die zwischen den
Eisentheilchen zurückbleibenden Schlackenpartien nachträglich nur unvollkommen
entfernt, die Eisentheilchen einander nie vollkommen genähert, noch schwieriger zu
einem vollkommenen
einheitlichen Ganzen vereinigt werden können, bedarf wohl kaum einer weiteren
Erörterung. Die unter Anwendung der älteren Frischprozesse erzeugten Eisen- und
Stahlsorten verdanken ihre häufig mindere Qualität, gleiche Abscheidung der fremden
Bestandtheile vorausgesetzt, hauptsächlich diesem Uebelstande.
Dieser eben erwähnte Uebelstand ist bei den Producten des Herd-Frischprozesses in
weniger empfindlicher Weise zu finden, weil das gefrischte gegarte Eisen vor der Formvon der Form im Focus des Feuers tropfenweise niedergeschmolzen wird, so daſs, wenn die
Eisentropfen in dem Räume unter der Form auch wieder erstarren, die Trennung der
Schlacke vom Eisen doch vollkommener als beim Puddelprozesse erfolgen kann. In
diesem Umstände ist neben der Anwendung des vegetabilischen Brennstoffes beim
Frischprozesse vorzüglich der Grund zu suchen, warum bei Anwendung desselben
Roheisens das Herd-Frischeisen von besserer Qualität als das Puddeleisen sein
kann.
Durch den auf diese Frischprozesse folgenden Schweiſsprozeſs können die den
erhaltenen Fabrikaten aus den oben angeführten Gründen anhaftenden Fehler theilweise
beseitigt werden, indem die Eisenmasse nochmals erhitzt, die in demselben
enthaltenen Schlacken theilweise ausgesaigert, theilweise durch eine erneuerte
mechanische Bearbeitung bei erhöhter Temperatur unter Hämmern und Walzwerken u. dgl.
ausgepreist, die einzelnen Eisentheilchen einander genähert und zusammengeschweiſst
werden. Der Erfolg wird ein um so vollkommenerer sein, je leicht- und dünnflüssiger
die Schlacken, je kleiner die Luppen sind, je heiſser dieselben zur mechanischen
Bearbeitung kommen und je besser dieselbe ist.
Da die Fehler dieser Fabrikationsweise ungleich schwerer zu beseitigen sind, wenn die
Luppen sehr groſs sind, so wachsen die Schwierigkeiten bei der Fabrikation, wenn es
sich darum handelt, sehr groſse Stücke zu erzeugen, und man muſs dann zum
Zusammenschweiſsen aus einzelnen kleineren Stücken, zum Packetiren, Zuflucht nehmen.
Dadurch verfällt man aber leicht in einen anderen Fehler, der darin besteht, daſs
die Schweiſsstellen, selbst wenn die Arbeit des Schweiſsens eine möglichst
vollständige war, immer die schwächsten Stellen des geschweiſsten Productes bilden,
stets ein etwas weicheres Material zeigen, als die ursprünglich verwendeten Stücke,
weshalb das erhaltene Fabrikat nicht gleich in der Textur ist, nicht die gleiche
Widerstandsfähigkeit in den einzelnen Theilen besitzt.
Alle diese Uebelstande werden beseitigt, wenn die Schluſstemperatur des betreffenden
Prozesses so hoch gehalten wird, daſs man ein flüssiges Schluſsproduct erhält, da in
diesem Falle die Trennung der Schlacke vom Eisen vollständig, die Gröſse der zu
erzeugenden Stärke beliebig gewählt werden kann und ein Zusammenschweiſsen aus
kleineren Stücken ganz entfällt, d.h., daſs man immer aus dem Ganzen zu arbeiten
vermag. Ferner ist das schlieſsliche Product in diesem Falle ein ungleich dichteres
und homogenereshomogenes. Auf diesen Umständen beruht auch vorzüglich das Uebergewicht der neueren
Fabrikationsmethoden gegenüber den älteren, der Vorzug des Fluſsmaterials gegenüber
dem Schweiſsmateriale.
Zu den Fabrikationsmethoden, welche derartig flüssige Schluſsproducte geben, sind zu
zählen: Das Umschmelzen in Tiegeln, das älteste und
lange Zeit allein in Anwendung stehende Verfahren, um flüssige Schluſsproducte zu
erhalten; es besteht meist nur in einem Umschmelzen von fertig gefrischten Eisen-
und Stahlsorten, oder in einem Zusammenschmelzen von Roheisen mit weichem Eisen,
seltener mit Erzen und eisenreichen Materialien; diese Arbeiten sind daher meist nur
einfache Umschmelz- oder Misch-, in den seltensten Fällen und auch dann nur in
untergeordneter Weise Frischprozesse. Dieselben werden der hohen Gestehungskosten
halber immer seltener und dann nur bei Erzeugung von Werkzeug-Guſsstahl u. dgl.
verwendet.
Die hervorragendste Rolle unter den Frischprozessen der Neuzeit nimmt unbedingt der
Wind-Frischprozeß ein. (Dieser Ausdruck ist der
allgemeinere, da derselbe sowohl den gewöhnlichen Bessemer-Prozeſs, wie dessen
Abänderung, den Entphosphorungs-Prozeſs, umfaſst.)
Seit Bessemer im J. 1856 mit demselben vor die
Öffentlichkeit trat, gewann derselbe von Jahr zu Jahr an Verbreitung, wurde jedoch
erst dadurch nahezu allgemein anwendbar, daſs er von Thomas und Gilchrist im J. 1878 so weit
ausgebildet wurde, daſs man auch Phosphor haltige Roheisensorten auf gute und
ausgezeichnete Fabrikate zu verarbeiten vermag. Er ermöglicht die Abscheidung aller
jener Verunreinigungen des Roheisens, welche leichter oxydirbar sind als Eisen. Man
kann daher Kohlenstoff, Mangan, Silicium, Phosphor nahezu vollkommen abscheiden,
während dies hinsichtlich des Schwefels in weniger vollkommener Weise möglich ist.
Kupfer, Nickel, Kobalt u. dgl. können bei diesem Prozesse ebenso wenig als bei den
anderen Frischprozessen abgeschieden werden. Da man den Prozeſs in jedem Augenblicke
unterbrechen, die Menge des Kohlenstoffes im Schluſsproducte auch durch Zusatz von
Spiegeleisen vermehren kann, so ermöglicht derselbe, Producte von beliebiger Härte
herzustellen. Da man ferner bei entsprechender Durchführung des Prozesses flüssige
Schluſsproducte erhält, so gewährt derselbe gegenüber den älteren Prozessen
wesentliche Vortheile.
Der nächst wichtigste Prozeſs, welcher ebenfalls flüssige Schluſsproducte liefert,
ist der Martin-Prozeſs, oder wie Einige denselben
bezeichnen wollen, der Siemens-Martin-Prozeſs. Derselbe
schlägt annäherungsweise den gleichen Weg ein, welcher beim Umschmelzen in Tiegeln
in Anwendung steht. Um jedoch billiger erzeugen zu können, werden die Materialien
nicht in Tiegeln, sondern auf dem offenen Herde eines Flammofens – eines Gasofens,
speciell Siemens-Ofens – eingeschmolzen. Schon dadurch,
daſs auf dem Herde eingeschmolzen wird, die Materialien mit den
Verbrennungsproducten der Gase, ja sogar mit unzersetzter Luft in Berührung kommen,
nähert sich dieser Prozeſs mehr als der Umschmelzprozeſs in Tiegeln den
Frischprozessen und kann die oxydirende Wirkung durch Verwendung von Erzen und
anderen eisenreichen Zuschlägen, sowie durch Einleitung von Oxydationswind gefördert
werden. In dem ersteren Falle nähert sich dieser Prozeſs dem
Flammofen-Frischprozesse, unterscheidet sich jedoch von dem Puddelprozesse dadurch,
daſs die Schluſstemperatur so hoch gesteigert wird, daſs man flüssige Producte
erhält; in dem zweiten Falle schmiegt er sich dem Wind-Frischprozesse an.
Für Massenfabrikation verwendet man in allen jenen
Fällen, in welchen man Fluſsmaterial benöthigt, die Producte des Wind-Frischprozesses oder des Martin-Prozesses. Die Frage, welcher dieser beiden Prozesse bessere
Producte zu liefern vermag, welcher vortheilhafter in Anwendung zu bringen ist, kann
nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse beantwortet
werden. Bei Verwendung von Materialien gleicher Qualität wird man offenbar bei dem
energisch oxydirend wirkenden Wind-Frischprozesse raschere und vollkommenere
Abscheidung der fremden Bestandtheile zu erzielen vermögen. Da beim Martin-Prozesse
der Einsatz meist nur aus 30 bis 40 Proc. Roheisen, der Rest aber aus Weicheisen und
Stahl besteht, die oxydirende Wirkung bei diesem Prozesse eine verhältniſsmäſsig
geringe ist, so hängt die Qualität des erzeugten Productes hauptsächlich von der
Güte des verwendeten Schrottes (Weicheisen–, Eisen- und Stahl-Abfällen) ab. Hingegen
ist es bei dem langsamer verlaufenden Martin-Prozesse ungleich leichter, die
verlangte Härtenummer genau zu treffen, kleine Differenzen durch entsprechende
Zusätze auszugleichen, Einen anderen Vortheil dürfte der Martin-Prozeſs vielleicht vor dem Wind-Frischprozesse noch voraushaben: Es ist bei demselben dem flüssigen
Metalle weniger Gelegenheit geboten, Gase zu absorbiren. Diese Frage ist aber, wie
bereits erwähnt, nicht endgültig gelöst und kann die Beantwortung derselben nur
unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse erfolgen. Einzelne Hüttenwerke
haben direkte Versuche darüber angestellt, wie z.B. Reschitza (im Banate), ohne zu
Resultaten zu gelangen, wie aus den auſserordentlich werthvollen Arbeiten, welche
bei Gelegenheit der Ausstellung in Paris 1878 veröffentlicht wurden, entnommen
werden kann.
Die Qualitäts-Eigenschaften des Fluſsmaterials hängen
ab: 1) von der Menge und Beschaffenheit der auſser dem Eisen noch vorhandenen
fremden Stoffe, d.h. von der chemischen Zusammensetzung, 2) von der Homogenität des
Materials und 3) von der mechanischen Bearbeitung desselben bei der
Weiterverarbeitung.
Nur in einigen Worten soll der Einfluſs, welchen die wichtigsten in den
Fluſseisensorten vorhandenen Stoffe auf die Qualitätseigenschaften ausüben,
angedeutet werden.
Als Fluſsmaterial von idealer Zusammensetzung, dessen Erzeugung anzustreben ist, wäre
jenes zu bezeichnen, welches allein aus Eisen besteht und nur so viel Kohlenstoff
enthält, um die für besondere Fälle von der Industrie verlangte Härte, Festigkeit,
Elasticität u. dgl. zu erreichen. Dieses ideale Fabrikat kann im Groſsen nicht, ja
kaum in geringen Mengen erzeugt werden, da die Abscheidung der im Roheisen
enthaltenen Verunreinigungen nie vollkommen gelingt und um so schwieriger
durchzuführen ist, je verschiedenere Stoffe gleichzeitig in demselben vorhanden
sind, weil die Bedingungen für die Abscheidung nicht bei allen Stoffen dieselben
sind. Man kann diese ideale Zusammensetzung aber doch annäherungsweise erreichen und
in der That wird unter günstigen Umständen Fluſsmaterial erzeugt, welches auſser dem
Kohlenstoffe nur einige wenige Zehntelprocent fremder Bestandtheile enthält.
Ein Gehalt an Kohlenstoff erhöht die Härte des Eisens,
vermehrt bis zu einer bestimmten Grenze die Festigkeit, rückt die Elasticität und
Bruchgrenze in Beziehung auf ruhige Belastung hinauf, vermindert aber die
Dehnbarkeit, welche mit der Härte im umgekehrten Verhältnisse steht, und macht das
Eisen bei steigendem Gehalte härter, spröder, daher empfindlicher gegen Stöſse.
Steigt der Gehalt an Kohlenstoff über eine bestimmte Grenze, so wird das
Fluſsmaterial für viele Zwecke der Technik unverwendbar.
Ein Gehalt an Silicium wirkt in ähnlicher Weise auf die
Eigenschaften des Eisens, jedoch bei gleichem Gehalte nicht in so hohem Maſse ein.
Das Silicium, macht das Eisen aber brüchiger, wenn nicht gleichzeitig eine dem
Gehalte desselben entsprechende Menge an Mangan vorhanden ist. Nur in diesem Falle
kann ein gröſserer Gehalt von Silicium im Eisen vorhanden sein, ohne die Güte des
Eisens wesentlich zu beeinträchtigen.
Ein Gehalt an Mangan macht das Eisen im Allgemeinen
härter, spröder; nur wenn gleichzeitig ein der Gröſse des Mangangehaltes
entsprechender Gehalt an Silicium vorhanden ist und derselbe eine gewisse Grenze
nicht übersteigt, ist der Einfluſs kein nachtheiliger.
Es ist wohl kaum nothwendig, hier darauf hinzuweisen, daſs schon ein sehr geringer
Gehalt von Schwefel das Eisen rothbrüchig, daſs Phosphor dasselbe kaltbrüchig mache und daſs besonders
die letztere Eigenschaft dann um so mehr hervortritt, wenn gleichzeitig der Gehalt
an Kohlenstoff ein gröſserer wird.
Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit darauf hinzudeuten, daſs das Eisen
gleich anderen Metallen die Eigenschaft besitzt, wenn dasselbe längere Zeit im
flüssigen Zustande erhalten wird, eine oft sehr beträchtliche Menge von Gasen
aufzunehmen, gleichsam zu absorbiren und einen Theil derselben im Augenblicke des
Erstarrens zu entlassen, wodurch eine mehr oder minder groſse Anzahl von Blasen im
gegossenen Materiale entsteht. Während diese Eigenschaft bei der Erzeugung von
Schweiſseisen keinen Einfluſs auf die Qualität ausübt, ist dies bei Erzeugung von
Fluſsmaterial der Fall.
Ohne auf die über diesen Gegenstand in der letzten Zeit entwickelten Theorien näher
einzugehen, will ich nur die Thatsache erwähnen, daſs Blasenräume in den Guſsblöcken
vorkommen und daſs selbst in jenen Fällen, in welchen dieselben mit dem Auge nicht
wahrgenommen werden können, durch die Analyse das Vorhandensein von Gasen in dem
erstarrten Metalle nachgewiesen werden kann, sowie daſs dieselben überwiegend aus
Wasserstoff und Stickstoff bestehen. Welchen unmittelbaren Einfluſs diese beiden Gase auf
die Eigenschaften des Eisens ausüben, ist bis heute mit Verläſslichkeit nicht
nachgewiesen; daſs die Blasenräume aber, wenn die Wände derselben bei der folgenden
mechanischen Bearbeitung selbst vollkommen an einander gedrückt werden, nicht nur
dann, wenn ein Zusammenschweiſsen nicht vollkommen erfolgte, sondern überhaupt, weil
die Gase nicht entfernt werden können, die Continuität des Materials beeinträchtigen
und dadurch die Qualität verschlechtern, unterliegt wohl kaum einem Zweifel. Durch
Anwendung von gewissen Vorsichtsmaſsregeln bei der Fabrikation kann die vom Eisen
aufgenommene Gasmenge vermindert, durch eine entsprechende mechanische Bearbeitung
bei erhöhter Temperatur
der schädliche Einfluſs verringert, in den meisten Fällen nahezu ganz beseitigt
werden.
Das Fluſsmaterial, es mag dasselbe mit was immer für einem Prozesse erzeugt worden
sein, hat vor dem Schweiſsmateriale (abgesehen von den angeführten Blasenräumen)
voraus: eine gröſsere Dichte, eine bedeutendere Gleichförmigkeit, eine nahezu
vollkommene Schlackenfreiheit und in Folge dessen bei gleicher chemischer
Zusammensetzung der eigentlichen Eisentheile eine nicht unbedeutende gröſsere
Festigkeit und Zähigkeit. Da das Material vollkommen dünnflüssig geschmolzen war,
liegt es sehr nahe anzunehmen, daſs das Schluſsproduct ein vollkommen homogenes sei.
Wenn die Ungleichförmigkeit in der chemischen Zusammensetzung auch in den meisten
Fällen eine verschwindend kleine ist, so kann dieselbe bei Besprechung der
Eigenschaften des Materials doch nicht ganz übergangen werden.
Da man das Eisen, wie es bei der Massenfabrikation erhalten wird, als ein Gemenge von
verschiedenen Legirungen und Verbindungen ansehen kann und diese in den
verschiedensten Verhältnissen gemischt werden können und zusammenschmelzen, so liegt
es auſserordentlich nahe, daſs das Schluſsproduct, auch wenn es im flüssigen
Zustande erzeugt wurde, nicht absolut homogen ist, es auch nicht sein kann und daſs
die Ungleichförmigkeit von äuſseren Zufälligkeiten abhängig sein wird. Wenn die
geschmolzenen Massen längere Zeit ruhig stehen, so werden sich die specifisch
leichteren Stoffe und Verbindungen immer in den oberen, die specifisch schwereren
aber in den unteren Partien des Metallbades ansammeln. Erfolgt der Guſs aus einer
Pfanne von unten und geht die Arbeit des Gieſsens ziemlich langsam, so wird die
chemische Zusammensetzung der zuerst gegossenen Stücke eine andere, als die der
zuletzt gegossenen sein. Ebenso wird die chemische Zusammensetzung der zuerst
erstarrten Partien eine andere sein als jene der durch längere Zeit flüssig
bleibenden Theile. Wenn diese Thatsachen auch schon lange Zeit bekannt waren, wurden
sie doch erst in neuerer Zeit eingehend und systematisch studirt.
Stubbs und Snelus (vgl.
1882 243 400) haben, um diesen Einfluſs zu studiren,
absichtlich jene Bedingungen geschaffen, welche dazu beitragen können, um ein
langsames Erstarren und Abkühlen und dadurch eine möglichst groſse
Ungleichförmigkeit in der Zusammensetzung zu begünstigen. Man hatte, um die
Unterschiede recht auffallend zu zeigen, unreines Fluſsmetall in eine aus Sand
hergestellte Form, welche einen Querschnitt von 50cm im Quadrate hatte, gegossen und auf diese Weise einen Block von 2m,2 Höhe und einem beiläufigen Gewichte von
4300k erzeugt. Die obere Probe wurde 55cm unter dem oberen Ende, die untere Probe 4cm über dem Boden genommen. Die gewonnenen Proben
zeigten folgende Zusammensetzung:
Oben
Unten
Kohlenstoff, chemisch gebunden
0,620
0,350
Graphit
0,095
0,037
–––––
–––––
Gesammt-Kohlenstoff
0,715
0,387
Silicium
0,028
0,023
Schwefel
0,129
0,049
Phosphor
0,163
0,063
Mangan
0,694
0,535
Eisen
98,204
99,004
––––––
–––––––
99,933
100,061.
Weniger auffallend, als in Bezug auf den Höhenunterschied, sind die Differenzen,
welche sich in Beziehung auf auſsen und innen, auf das raschere und langsamere
Abkühlen zeigen. Die Proben, welche nach auſsen gegen die Mitte zu in gleichen
Abständen genommen und mit 1 bis 6 bezeichnet wurden, haben folgende Zusammensetzung
gezeigt:
Oben
1
2
3
4
5
6
Kohlenstoff
0,44
0,54
0,57
0,61
0,68
0,77
Schwefel
0,032
0,048
0,080
0,096
0,120
0,187
Phosphor
0,044
0,060
0,086
0,097
0,111
0,142
Unten
1
2
3
4
5
6
Kohlenstoff
0,44
0,42
0,41
0,40
0,38
0,37
Schwefel
0,048
0,056
0,048
0,048
0,048
0,044
Phosphor
0,060
0,062
0,054
0,054
0,058
0,052.
Aus diesen Zahlen kann entnommen werden, daſs die unteren Partien im Allgemeinen
reiner, aber auch weicher sind. Aehnlich verhält es sich in Beziehung auf die
äuſseren, rascher erstarrten und inneren Partien.
Bei der gewöhnlichen Fabrikation, bei welcher die
Bedingungen zur Schaffung der Ungleichförmigkeit nicht absichtlich herbeigeführt
werden, sind die Differenzen nicht so bedeutend und daher auch nicht bedenklich. Bei
einem gewöhnlichen Schienenblocke von 31cm im
Quadrate, 1m,25 Länge und 340k Gewicht in einer Eisenform gegossen, ergaben
sich folgende Abweichungen:
Oben
Unten
Kohlenstoff, chemisch gebunden
0,420
0,420
Silicium
Spur
Spur
Schwefel
0,46
0,39
Phosphor
0,056
0,044
Mangan
0,755
0,738
Eisen
98,723
98,759
––––––
––––––
100,000
100,000.
Es sind dieselben so gering, daſs sie, wenn die oben
angeführte Thatsache nicht schon festgestellt wäre, auch aus der unvermeidlichen
Ungenauigkeit bei der Probenahme erklärt werden könnten.
Einen groſsen Einfluſs auf die Qualitätseigenschaften des Eisens übt aber auch die
mechanische Bearbeitung aus. Es kann durch dieselbe
die Qualität ebenso gut verbessert, wie verschlechtert werden. Dadurch, daſs man von
groſsen Anfangsquerschnitten auf geringe Schluſsquerschnitte herabarbeitet, kann die
Qualität wesentlich verbessert werden. Es ist eine bekannte Thatsache, daſs man
durch eine genügend weit getriebene mechanische Bearbeitung die Zugfestigkeit
bedeutend lieben kann. Die durch die mechanische Bearbeitung verursachte
Querschnitts Verminderung trägt unter sonst gleichen Umständen wesentlich dazu bei,
die Materialien dichter zu machen, Blasen, welche etwa in den Guſsblöcken enthalten
sind, zusammenzudrücken und, wenn eine der Härte der zu behandelnden Materialien
entsprechende Temperatur vorhanden ist dieselben auch zusammenzuschweiſsen, die
Textur feinkörniger erscheinen zu lassen und, wenn die Bearbeitung bei sinkender
Temperatur fortgesetzt wird, auch die Bruchgrenze hinaufzurücken, d.h. das Material
etwas härter und dadurch auch etwas fester erscheinen zu lassen, als es seiner
chemischen Zusammensetzung nach sein sollte.
Steht daher der Anfangsquerschnitt nicht im richtigen Verhältnisse zu den vorhandenen
Bearbeitungsmaschinen, so kann durch die Wahl eines zu groſsen Anfangsquerschnittes
ein ebenso groſser Fehler, als durch die Wahl eines zu kleinen begangen werden, weil
das Material dann während längerer Zeit bei zu niederer Temperatur bearbeitet werden
muſs, um den angestrebten Schluſsquerschnitt zu erhalten.
Der Grund, warum z.B. die auf österreichischen Hüttenwerken erzeugten
Eisenbahnschienen ungeachtet der wenigstens ebenso guten, häufig sogar besseren
Qualität des verwendeten Materials, so oft eine geringere Festigkeit zeigen als die
auf deutschen Werken erzeugten Schienen, liegt meist nur darin, daſs die
Einrichtungen der letzteren Werke vollkommener sind, wodurch eine bessere
mechanische Bearbeitung, eine gröſsere Querschnittsverminderung durch die
Bearbeitung ermöglicht wird.
Daſs die Temperatur des zu bearbeitenden Stückes einen
wesentlichen Einfluſs auf die Güte der zu erzeugenden Fabrikate ausübt, brauche ich
ebenso wenig zu erörtern, als daſs eine ungleichförmige Temperatur in den einzelnen
Theilen eines zu bearbeitenden Stückes dazu beitragen kann, die Qualität des
Fabrikates wesentlich herabzusetzen.
Einen groſsen Einfluſs übt ferner noch die Vertheilung
des Materials in dem Querschnitte des zu erzeugenden Productes aus. Je
ungleichförmiger das Material in dem Querschnitte vertheilt ist, um so ungünstiger
wird dies auf die Qualität einwirken. An jenen Theilen des Querschnittes, an welchen mehr Material angehäuft
ist, wird dasselbe wärmer aus den Walzen kommen, während die dünneren Partien bei
niederer Temperatur mechanisch bearbeitet werden und in Folge dessen härter, ja
sogar auch spröder erscheinen können. Es werden diese Uebelstände um so
empfindlicher auftreten, je härter das verwendete Material ist. Diese
Unannehmlichkeiten kommen z.B. bei der Schienenfabrikation nicht selten vor. Die
Materialvertheilung ist im Fuſse und im Kopfe der Schienen eine so ungleiche, daſs
das Material im Fuſse immer kälter aus den Walzen kommt als das im Kopfe der
Schiene. Es wird daher das Material im Fuſse der Schienen immer härter sein als im
Kopfe, während man eigentlich im Fuſse der Schienen weicheres Material haben sollte.
Man kann diesen durch die bei verschiedener Temperatur erfolgte Bearbeitung
veranlaſsten Unterschied im Materiale bei nahezu jedem Schienenbruche schon mit
freiem Auge wahrnehmen. Nicht selten kommt es vor, daſs eine Schiene bricht, ohne
daſs wenigstens scheinbar eine Veranlassung dazu vorhanden ist. Der Grund liegt in
einem solchen Falle sehr häufig weder im Materiale, noch in der Fabrikation, sondern
meist darin, daſs der Constructeur des Profils auf die Eigenschaft des Materials
keine Rücksicht genommen hat, sondern jenes Profil wählte, bei welchem die gröſste
rechnungsmäſsige Tragfähigkeit bei geringstem Materialverbrauche erreicht wird.
Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, daſs es bei
der Massenfabrikation eines Artikels nicht möglich ist, allen von theoretischer
Seite gestellten Bedingungen absolut vollkommen zu entsprechen, da es unmöglich ist,
die in die Oefen eingelegten Stücke in allen ihren Theilen genau auf die gleiche
Temperatur zu erhitzen, da es unvermeidlich ist, daſs die zu bearbeitenden Stücke
während des Ausnehmens aus dem Ofen, während der Bearbeitung selbst eine theilweise
Abkühlung erleiden, und somit schon dadurch, daſs die Bearbeitung nicht bei absolut
gleicher Temperatur erfolgen kann, Abweichungen in den Eigenschaften desselben
Stückes, wenn die Proben an verschiedenen Stellen genommen werden, zum Vorscheine
kommen.
Aber auch hinsichtlich der mechanischen Bearbeitung der Formgebung muſs bedacht
werden, daſs dieselbe mit maschinellen Einrichtungen durchgeführt werden muſs,
welche keine Präcisionsinstrumente sein können, weil sie eine bedeutende Kraft von
mehreren hundert selbst bis zu tausend Pferdestärken benöthigen und auſserdem
Eisenstücke bei erhöhter Temperatur zu bearbeiten haben. Sobald dies letztere aber
der Fall ist, hört jede Präcisionsarbeit auf, da mit jeder Aenderung in der
Temperatur eine Aenderung in den Abmessungen der Walzen, der Kaliber und mit diesem
auch eine Aenderung in den Abmessungen der zu erzeugenden Stücke eintreten muſs.
Daſs es durch Einführung von besseren Fabrikationsmethoden ermöglicht wurde,
Fabrikate von besserer Qualität zu liefern, ist ebenso erklärlich, wie eine
Steigerung der Anforderung, welche die Industrie an die Fabrikate stellt. Auffallend
muſs es aber erscheinen, daſs die Anforderungen oft so weit gehen, daſs dieselben
auch bei Verwendung der besten Materialien, bei der sorgfältigsten Arbeit nicht mehr
erfüllt werden können, ja daſs mitunter Anforderungen gestellt werden, welche
einander widersprechen, da jede derselben andere Eigenschaften verlangt.
Um das eben Gesagte zu erläutern, will ich einige Anforderungen, welche bei der
Fabrikation eines der wichtigsten Massenartikel, der Eisenbahnschienen, gestellt werden, besprechen.
In den vorgeschriebenen Abmessungen der Schienen wird in Beziehung auf Höhe und den
Winkel der Verlaschung meist gar keine Toleranz gewährt, in den übrigen Maſsen 0mm,5 auf oder ab, bei 7,5 bis 9m Länge aber solche von 2 bis 2mm,5 mehr oder weniger.
Die Kaliber der Walzen, welche zur Schienen-Erzeugung verwendet werden, müssen mit
Rücksicht auf das Schwindmaſs für eine mittlere Temperatur bei der Erzeugung
hergestellt werden. Die Walzen sind bei Beginn der Arbeit kalt und werden, je
nachdem rascher oder weniger rasch gearbeitet wird, mehr oder weniger warm.
Dieselben werden, wenn sie auch gekühlt sind, leicht auf einige Hundert Grad erhitzt
und es wird für eine Temperaturdifferenz von je 100° das Kaliber von 0mm,15 in Beziehung auf die Höhe der Schienen verändert. Es kann leicht
vorkommen, daſs eine Schiene um 200 bis 300° kälter aus dem Walzwerke als eine
andere kommt, so daſs aus denselben Kalibern bei der gleichen Walzenstellung
Schienen erhalten werden können, welche um 4 bis 5mal 0,15, d.h. um 0,60 bis 0mm,75 in der Höhe von einander abweichen. Diese
Schwankung kann noch dadurch vermehrt werden, daſs die Dicke des Walzensinters etwas
gröſser oder kleiner ist, einmal hängen bleibt, ein anderes Mal abfällt. Eine
Differenz von 1mm kann daher ganz ohne Verschulden
des Fabrikanten bei der sorgfältigsten Arbeit vorkommen und wird dabei noch
vorausgesetzt, daſs stets frisch abgedrehte Schluſskaliber in Anwendung kommen.
Wollte man in der That keine Toleranz in Beziehung auf die Höhe gewähren, so müſste
man die Schienen auf die richtige Höhe hobeln und auch selbst dann würde man zu
leicht noch meſsbare Differenzen nachweisen können. Da aber die Walzwerke keine
Präcisionsinstrumente sind und die Kaliber in Folge einer fortwährenden Abnutzung
der Walzen bei der Bearbeitung des warmen Eisens sich verändern, so ist es gar nicht
möglich, dieser Anforderung zu entsprechen. Dasselbe gilt bezüglich der gewährten
Toleranz von 0mm,5 in den übrigen Maſsen.
Die Schienen werden kalt auf die richtige Länge abgearbeitet. Abgesehen davon, daſs
es schwierig ist, so groſse Längen, wie sie bei Schienen von 7,5 oder 9m,0 vorkommen, genau zu messen, so glaube ich nur
darauf aufmerksam machen zu müssen, daſs eine Temperaturdifferenz von nur 10° schon
eine Längenänderung von nahe 1 bis 1mm,2
veranlaſst.
Von Seiten der Bahnen wird sehr häufig ein bestimmter Gehalt von Kohlenstoff
verlangt, unter welchen nicht herabgegangen werden soll. Man sollte denken, daſs es
für die Bahnverwaltungen ausreicht, gewisse Belastungs- und Schlagproben zu
verlangen, um das verwendete Material zu erproben, ohne sich weiter darum zu
bekümmern, auf welche Weise die verlangte Widerstandsfähigkeit erreicht wird. Bei
den gegenwärtig verlangten Proben kann ein Gehalt an Kohlenstoff von 0,3 Proc. zu
gering, er kann zu hoch sein; es wird dies von der Menge der übrigen im Materiale
noch vorhandenen Stoffe abhängig sein.
Bei der Erprobung des Materials werden Belastungsproben,
Schlagproben, Zerreiſsproben und Stahlproben verlangt. Maſsgebend sind die ersten
drei. Bei den Stahlproben müssen die zu Stäben ausgestreckten Probestücke Härtung
annehmen und bei dem Anlassen jene Farben zeigen, welche den verschiedenen
Härtegraden entsprechen. Die Anlaſsfarben können, da sie nur durch eine mehr oder
minder dicke Oxydschicht hervorgerufen werden, nicht maſsgebend sein. Auch ganz
weiches Eisen kann Anlauffarben zeigen. Ein vollkommen gleiches Korn kann nach dem
früher Angeführten in dem Schienenbruche nie gefunden werden.
Die Zerreißproben sind allerdings unter Umständen
werthvolle Hilfsmittel, um die Güte des Materials zu erproben; als alleiniges
Mittel, um ein richtiges Bild über die Dauerhaftigkeit einer Schiene zu geben, sind
sie jedoch nicht verwendbar. Schienen, welche beispielsweise nach 8jährigem
Betriebe, nachdem 26 Millionen Tonnen darüber gerollt sind, vollkommen tadellos
waren, zeigten bei Zerreiſsproben, welche aus denselben herausgeschnitten wurden,
ungünstige Resultate, während bei fehlerhaft gewordenen Schienen wieder günstigere
Resultate erzielt werden können.
Sehr häufig wird von Seiten der Bahnen auſserdem noch das Ansinnen gestellt, daſs der
Lieferant auch eine gewisse Dauerhaftigkeit verbürgt. Das Verlangen, daſs der
Lieferant bezieh. Fabrikant für die Dauerhaftigkeit während einer gewissen Zeit von
5, ja selbst 10 Jahren bürgen solle, ist ein sehr unbestimmtes. Eine Strecke, heute
noch wenig befahren, kann in der nächsten Zeit so in Anspruch genommen werden, daſs
die Schienen die verbürgte Zeit nicht zu überdauern vermögen. Von Seiten anderer
Bahnen wird verlangt, daſs die Schienen eine bestimmte darüber gerollte Last
auszuhalten vermögen. Von ariderer Seite wurde wieder verlangt, daſs die Abnutzung
nach einer darüber gerollten Last von 10 Millionen Tonnen nicht mehr als 1mm betragen dürfe.
Wie groſs die eigentliche Abnutzung in einem solchen Falle ist, kann heute noch nicht
angegeben werden, da bis jetzt keine Schienen bestehen, welche die oben angeführte
Bruttolast aushielten und deren Höhe früher so genau gemessen wurde, daſs eine
Abnutzung von 1mm mit Sicherheit wirklich
testgestellt werden, kann. Man fand bei Versuchen allerdings auch geringere,
mitunter aber auch höhere Maſse, als die Schienen ursprünglich hätten haben sollen.
Ueberdies kann eine durch Höhenmessung gefundene Abnutzung, abgesehen von der
Schwierigkeit der Messung, nur eine scheinbare sein, welche auſserdem ganz
unabhängig von der Qualität der Schienen sein kann.
Die wenigen Versuche, welche bis nun in dieser Richtung durchgeführt wurden, haben in
den meisten Fällen ein Zusammenstauchen der Schienen nachgewiesen. So wie man einen
Eisenstab, der eine bedeutende Last, ohne eine Deformation zu erleiden, trägt, durch
eine groſse Anzahl von verhältniſsmäſsig schwachen Schlägen zu deformiren, zu
stauchen vermag, ebenso scheint durch die darüber rollende Last ein Stauchen zu
erfolgen. Bei sehr dünnem schwachem Stege, der wohl die ruhige Belastung zu tragen
vermag, wird derselbe bei der darüber rollenden Last allmählich gestaucht, manchmal
sogar abgebogen, wie die Erfahrung zeigt. Es wird daher die Abnutzung in diesem
Falle gröſser erscheinen, als sie in der That ist. Bei der bedeutenden Länge des
Steges würde ein Zusammenstauchen desselben um 3 bis 4mm Höhe in der Dicke desselben nicht nachweisbar erscheinen, da die
Verdickung nur einige 0mm,01 betragen würde.
Auf die Abnutzung werden aber auch noch andere Verhältnisse ungünstig einwirken, für
welche der Fabrikant nicht verantwortlich gemacht werden kann: Radreifen aus
härterem Materiale, gröſsere Geschwindigkeit der verkehrenden Züge, schadhaft
gewordener Unterbau u. dgl. werden stets zur rascheren Abnutzung der Schienen
beitragen. Auch der Rost kann eine Veränderung der Abmessungen, somit auch eine
Verminderung der Hohe veranlassen. (Vgl. Snelus, 1882
246 433.)
Aus diesen wenigen Beispielen kann entnommen werden, daſs man so häufig Anforderungen
stellt, welche eben nicht erfüllt werden können. Wenn vielleicht entgegnet wird,
daſs die Bedingungen doch erfüllbar sein müssen, weil Schienen nach derartigen
Bedingungen geliefert werden, so kann ich darauf nur erwiedern, daſs sie den
Lieferungsbedingungen wohl annäherungsweise entsprechen, aber nicht vollkommen
entsprechen können, daſs die Uebernahme immer von dem Benehmen der Uebernehmer
abhängig bleibt. Es ist in der That für jeden Lieferanten sehr niederdrückend, von
der Willfährigkeit der Uebernehmer abhängig zu sein, das Bewuſstsein zu haben, nie
sagen zu können, mein Fabrikat ist tadellos, es muſs übernommen werden. Es muſs wohl
sonderbar erscheinen, von Seiten der Abnehmer vorzuschreiben, wie die Schienen
erzeugt werden sollen, die Fabrikation selbst zu überwachen, Qualitätsproben zu
verlangen, in Beziehung auf Form und Gestalt äuſserst streng zu sein, eine 3fache
Uebernahme durchzuführen, von welchen mitunter einzelne durch 3 Uebernahmscommissäre
hinter einander vorgenommen werden, und auſserdem noch eine Haftung für bestimmte
Zeit oder Dauerhaftigkeit zu beanspruchen. Man sollte denken, daſs eine einmalige
Erprobung bei der Uebernahme, eine Bürgschaft für die
Dauerhaftigkeit, vollkommen ausreichen würde.
Ebenso begründet ist die Klage der Fabrikanten, daſs jede Bahnverwaltung nicht etwa
ein, sondern mehrere Schienenprofile in Verwendung hat, so daſs ein Hüttenwerk,
welches sich heute in Oesterreich mit der Schienenfabrikation beschäftigt, für die
Erzeugung einer Unzahl von verschiedenen Schienenformen eingerichtet sein muſs. Sehr
häufig unterscheiden sich die einzelnen Profile nicht wesentlich- es ist aber
trotzdem die Verwendung anderer Walzen erforderlich. Es kann ja nicht geläugnet
werden, daſs für gewisse Verhältnisse verschiedene Schienenprofile nothwendig
erscheinen, daſs man zweckmäſsig auf ebenen Strecken andere Formen als auf
Gebirgsstrecken, andere wieder auf Nebenbahnen verwenden könne. Es liegt die schon
so oft aufgeworfene Frage, ob nicht eine Einigung der verschiedenen Bahnen in
Beziehung auf die Schienenprofile erreicht werden könnte, auſserordentlich nahe.
Mit den Anforderungen an die Fabrikate, mit den erschwerten Uebernahmsbedingungen,
mit der Anzahl der verlangten Profile, mit der Umständlichkeit der Uebernahme selbst
steigen die Kosten der Fabrikation und mit diesen die Verkaufspreise, was für die
Abnehmer gewiſs nicht gleichgültig sein kann. (Aus der Wochenschrift des
Oesterreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1883
S. 187 und 191.)