Titel: | Ueber Münzen-Abnutzung. |
Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 298 |
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Ueber Münzen-Abnutzung.Vgl. W. Miller 1863 167
155. v. Haindl 1876 221
187.
Soetbeer, über Münzen-Abnutzung.
Von unseren Zwanzigmarkstücken sollen 69¾ und von den Zehnmarkstücken 139½
gesetzmäſsig 500g Feingold enthalten. Hieraus
ergibt sich ein Feingoldgehalt von 7,1684 bezieh. 3,5842g und, da der Kupferzusatz 1/9 des Goldes beträgt, ein Bruttogewicht von
7,9649g für ein Zwanzigmarkstück und von
3,9763g für ein Zehnmarkstück.
Bei der Fabrikation der Münzen ist es bekanntermaſsen unmöglich, dieses Gewicht
absolut genau einzuhalten, und deshalb wurde für das Bruttogewicht eine Toleranz
eingeführt, wonach das Gewicht der genannten Münzen schwanken darf zwischen 7,9450
und 7g,9848 bezieh. 3,9725 und 3g,9924.
Die Münzen verlieren nun aber im Verkehre an Gewicht und es ist deshalb noch eine
Grenze festgestellt, bis zu welcher die Gewichtsabnahme stattfinden darf, ohne daſs
die Münzen ungültig werden. Bei Goldmünzen ist diese Differenz auf 1/200 festgesetzt,
so daſs demnach die Grenze des Passirgewichtes für die Zwanzigmarkstücke 7,9251 und
für die Zehnmarkstücke 3g,9625 beträgt.
Goldmünzen, welche dieses Passirgewicht nicht erreichen und an den Reichskassen,
Banken u.s.w. noch angenommen worden sind, werden auf Rechnung des Reiches
eingeschmolzen. Wegen der hierdurch erwachsenen Unkosten und Verluste ist es von
groſsem Belange zu wissen, wie viel Zeit eine Münze in Umlauf sein kann, bis ihr
Gewicht unter das Passirgewicht gesunken ist, und wie sich diese Abnutzung auf die
Zeit vertheilt.
Da hierauf bezügliche Untersuchungen auch für die Münztechnik von Wichtigkeit sind,
weil man daraus zu ersehen vermag, ob Aenderungen im Gepräge, den
Gröſsenverhältnissen und der Legirung u.s.w. die Abnutzung verringern oder
vergröſsern, so hat man derselben in letzterer Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit
geschenkt.
Nun wurde im J. 1882 in amerikanischen Zeitungen behauptet, daſs nach Untersuchungen
zu Boston auf 7 Millionen Dollars sich der jährliche Verlust auf 15000 Dollars, also
auf ungefähr 2 Promille beziffere. Um dieselbe Zeit veröffentlichte Martin Untersuchungen mit englischen Goldmünzen. Er
hatte an die Banken, Eisenbahnverwaltungen, Postämter und an gröſsere
Geschäftshäuser eigene Fragebögen versendet und in Antwort darauf 1092 Nachweise
erhalten, welche sich auf 105364 Sovereigns und 145743 Halbsovereigns bezogen, die
ohne absichtliche Auswahl dem Verkehre entnommen und sodann auf die Umlaufszeit
sowie den Gewichtsverlust untersucht waren. Diese Erhebungen ergaben als
durchschnittliche jährliche Abnutzung bei den
Sovereigns 0,4325 und bei den Halbsovereigns 0,4379 Grän für das Stück, wenn als
Normalgewicht für die erste Münze 123,27447 und die zweite 61,63723 Grän angenommen
wird. Es beziffert sich daher der Verlust bei den Sovereigns in 15 und bei den
Halbsovereigns in 8 Jahren über ½ Procent von dem gesetzlichen Gewichte. Würde man,
bemerkt Martin (1882), von den vor 1870 geprägten
Goldmünzen 100000 Sovereigns (2 Mill. Mark) bei der Bank einzahlen, so betrüge der
Verlust 637 Pfund Sterling 8 Schilling (12748 M.) und bei ebenso viel Halbsovereigns
480 Pfund Sterling 16 Schilling (9616 M.). Da diese englischen Goldmünzen mit
unseren deutschen beinahe in jeder Beziehung übereinstimmen, so lag die Befürchtung
nahe, daſs auch die deutschen Goldmünzen einen gleichen Verlust durch Abnutzung
erfahren würden. Veranlassung zu dieser Befürchtung gaben natürlich zunächst frühere
Wahrnehmungen, unter welchen die von dem Londoner Münzmeister John Herschel am wichtigsten erscheinen. In dem hierauf
bezüglichen Berichte wird nämlich angegeben, daſs in England etwa von 9 bis 12
Millionen Sovereigns, welche durch die englische Bank gehen, 200000 bis 300000 als
nicht vollwichtig ausgeschossen werden und daſs man im groſsen Ganzen 3 Procent von
den in Umlauf befindlichen Goldmünzen einziehen müsse, woraus sich zugleich 33⅓ Jahr
als Umlaufszeit ergibt.
Um nun die für. unser deutsches Münzwesen wichtigen Zahlen und Anhaltspunkte zu
gewinnen, hat Soetbeer Untersuchungen veranlaſst, aus
welchen die Abnutzung unserer Goldmünzen nach 10jährigem Bestände unserer
Münzgesetzgebung sich
herleiten läſst. So erfolgte im Juli 1881 auf der deutschen Gold- und
Silberscheideanstalt in Frankfurt a. M. eine genaue Wägung von 10 Posten von je 1000
Stück deutschen Doppelkronen, welche folgendes ergab:
1.
Posten
wog
=
7,9580k
2.
„
„
=
7,9585
3.
„
„
=
7,9571
4.
„
„
=
7,9597
5.
„
„
=
7,9558
6.
„
„
=
7,9610
7.
„
„
=
7,9578
8.
„
„
=
7,9565
9.
„
„
=
7,9560
10.
„
„
=
7,9555
––––––––––––––––––––––––––––
Durchschnittsgewicht
=
7,9576k
Da aber das gesetzliche Gewicht 7k,96495 beträgt,
so erweist diese Untersuchung eine Differenz von 0k,00735 oder 74g, im Werthe von 185,81
M., also 0,929 Promille. Um nun die jährliche Abnutzung kennen zu lernen, hätte die
Umlaufszeit der gewogenen Münzen angegeben werden müssen. Da dies bei den gewogenen
Münzen nicht thunlich war, so muſste man nach den jährlichen Ausprägungen und
anderen in Betracht kommenden Umständen die wahrscheinliche Umlaufszeit berechnen
und fand, daſs diese etwa 6½ Jahre betrage, wonach dann die jährliche Abnutzung
0,143, also noch nicht ganz 1/7 Promille betragen würde.
Auf Soetbeer's Veranlassung wurde ferner an einer
anderen Stelle eine genaue Gewichtsermittelung der im gewöhnlichen Verkehre 1881
umlaufenden deutschen Goldmünzen vorgenommen und zwar für Kronen und Doppelkronen,
mit Angabe der Umlaufszeit. Das Resultat war folgendes:
Prägungsjahr
1. PostenStück
2. PostenStück
3. PostenStück
4. PostenStück
5. PostenStück
1) Doppelkronen.
187118721873187418751876187718781879
26 265 231 29 121 106 37 81 104
14 313 273 37 88 105 45 104 21
28 351 252 33 89 97 43 84 23
25 242 184 33 74 74 35 280 53
21 314 317 40 84 83 47 79 15
ZusammenGewicht in k
10007,9609
10007,9597
10007,9598
10007,9612
10007,9592
2) Kronen.
1872187318741875187618771878187918801881
165 244 69 183 98 71 96 45 29 –
150 243 66 170 49 60 96 69 68 29
141 242 72 168 56 82 84 59 79 17
161 234 79 159 50 79 95 56 67 2
209 323 62 195 83 119 9 – – –
ZusammenGewicht in k
10003,9776
10003,9773
10003,9774
10003,9773
10003,9778
Das Durchschnittsgewicht der 5 Posten zu 1000 Stück betrug also bei den Doppelkronen
7k,9601 gegen 7k,9650 und bei den Kronen 3k,9775 gegen
3k,9825, mithin die Abnutzung 4g,90 (12,30 M.) bei den Doppelkronen und 5g,0 (12,55 M.) bei den Kronen, oder nach dem Werthe 0,61 bezieh. 1,26
Promille.
Die durchschnittliche Umlaufszeit der in Betracht gezogenen 5000 Doppelkronen und
5000 Kronen war für erstere 6,79 und für letztere 6,17 Jahre, wonach sich endlich
als durchschittliche jährliche Abnutzung für je 1000
Doppelkronen 0g,72 und für 1000 Kronen 0g,81 oder nach dem Werthe 0,0904 und 0,2026
Promille ergibt. Man sieht zugleich, daſs dieses Resultat sehr gut zu den in
Frankfurt gewonnenen stimmt. Ferner folgt aus diesen Untersuchungen, daſs
durchschnittlich unsere Doppelkronen 50 und unsere Kronen etwa 25 Jahre im Umlaufe
verbleiben können, bevor ihr Gewicht unter das Passirgewicht sinkt. Für das deutsche
Reich erwächst aus dem regelmäſsigen Einziehen unter wichtiger Goldmünzen jährlich
keine gröſsere Ausgabe als etwa 120000 M. (Nach dem Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt, 1884 S. 99.)