Titel: | Lefranc's Zuckergewinnung aus Melasse, Syrup u. dgl. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 262, Jahrgang 1886, S. 268 |
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Lefranc's Zuckergewinnung aus Melasse, Syrup u.
dgl.Nach der Druckschrift: Procédé, d'extraction du sucre des
jus, sirops et mélasses. Procédé Lefranc.
(Compiègne. Imprimerie Leroy-Joly.)
Lefranc's Zuckergewinnung aus Melasse, Syrup u. dgl.
Wenn man Kalk in einer Zuckerlösung bis zur Sättigung des darin enthaltenen Zuckers
auflöst, so bildet sich bekanntlich eine lösliche Zuckerkalkverbindung. Erhitzt man
die Lösung dieser letzteren, so erhält man einen fast unlöslichen Niederschlag eines
anderen Zuckerkalkes von der Zusammensetzung des dreibasischen Zuckerkalkes C12H22O11.3CaO. Die Formel dieser Zerlegung scheint
folgende zu sein:
3(C12H22O11.2CaO) = 2(C12H22O11.3CaO) + C12H22O11.
Dieser Zuckerkalk kann durch Filtration in der Hitze von
seiner Mutterlauge getrennt und der Zucker daraus gewonnen werden.
Der Nachtheil dieses Verfahrens besteht in der Unvollständigkeit der Fällung, welche
dazu nöthigt, entweder dieselbe Fällung mit den Mutterlaugen zu wiederholen, oder
auf das Substitutionsverfahren zurückzugreifen. In allen Fällen gelangt man aber nur
dann zu guten Ergebnissen, wenn der Zuckergehalt der Lösung höchstens 5 bis 12 Proc.
beträgt.
Wie bekannt, hat man die Fällung auch so ausgeführt, daſs man der mit Kalk
gesättigten Zuckerlösung erst eine gewisse Menge Chlorcalciumlösung, nämlich soviel
zusetzte, daſs dadurch die zur Entstehung eines unlöslichen Zuckerkalkes nöthige
Kalkmenge in Lösung kam und dann die Fällung durch Zusatz von kaustischem Natron
bewirkte. Es scheidet sich dann in der Kälte dreibasischer Zuckerkalk aus:
3(C12H22O11.2CaO) + CaCl2 + Na2O = 3(C12H22O11.3CaO) + 2 NaCl.
Der theoretische Vorgang, daſs sämmtlicher Zucker ausgefällt würde, hat in Folge des
starken Bedarfes an kaustischem Natron nicht ausgenutzt werden können. Er findet nur
dann Anwendung, wenn die Zuckerlösungen in Folge eines vorausgegangenen billigeren
Verfahrens nur noch wenig Zucker enthalten.
Aus der zweckmäſsigen Anordnung und Verbindung beider Verfahren ist nun das neue Lefranc'sche hervorgegangen, welches demnach aus zwei
Theilen besteht, nämlich: 1) der Abscheidung eines unlöslichen Zuckerkalkes, 2) der
Behandlung der Mutterlauge desselben behufs Gewinnung des darin zurückgebliebenen
Zuckers.
1) Die Melasse oder der Syrup wird in einem Maischapparate auf einen Zuckergehalt von
5 bis 10 Proc. dadurch gebracht, daſs man denselben mit Kalkmilch mischt, welche
ungefähr 50 Proc. Kalk des vorhandenen Zuckers entspricht. Dies reicht zu einer
vollständigen Bindung nicht hin, gewährt aber den Vortheil, dieselbe ohne plötzliche
Temperaturerhöhung zu bewirken, was zur Entstehung des Bisaccharates, welches sich
am vollständigsten beim Erhitzen in Trisaccharat und Zucker zerlegt, wesentlich ist.
Wenn die Mischung gleichmäſsig geworden und obige Verdünnung erreicht ist, so setzt
man gebrannten Kalk in der allerfeinsten Vertheilung zu und maischt bis zur
vollkommenen Sättigung des Zuckers durch den Kalk. Der gebrannte Kalk entspricht
weiteren 50 bis 60 Procent des Zuckergewichtes und soll nur nach und nach zugeführt
werden, um Erwärmung des Gemisches zu vermeiden. Nun wird durch Säcke oder
Filterpressen filtrirt, um den der Lösung beigemischten überschüssigen Kalk zu
entfernen, und die klare Lösung in einer Heizpfanne erhitzt; sie trübt sich bei
steigender Temperatur, von 50° an, und zerfällt in der Siedehitze in der oben
angegebenen Weise. Ist dies geschehen, so fügt man den vorher abgeschiedenen
Kalküberschuſs nach und nach der im Sieden erhaltenen Flüssigkeit wieder zu.
Hierdurch werden zwei Vortheile erreicht: Erstens werden die Zuckerverluste
vermieden, welche sonst durch den Kalk verursacht wurden, und zweitens wird das fast
schleimige Saccharat durch die Gegenwart des Kalkes poröser und daher zum Auswaschen
geeigneter. Der Kalk wird nach diesem Verfahren entfernt, wenn seine Gegenwart
nachtheilig, und wieder zugesetzt, wenn diese von Nutzen ist.
Ist das Gemisch fertig, so wird das Saccharat heiſs durch Filterpressen geschickt und
in denselben mit kochendem Wasser gewaschen. Aus dem Saccharat wird durch Maischen
eine Milch hergestellt und diese, wie bekannt, weiter verarbeitet.
2) Die bei der vorigen Arbeit erhaltene Mutterlauge, welche noch etwa 3 Proc. Zucker
enthält, wird auf die gewöhnliche Temperatur abgekühlt und hierauf gebrannter Kalk
im Ueberschusse zugesetzt, um den vorhandenen Zucker vollkommen in löslichen
Zuckerkalk überzuführen. Der Kalkzusatz kann auch vor der Abkühlung erfolgen, wenn man nur danach die zur
Bildung des Saccharates geeignetste Temperatur herstellt. Wie in dem ersten Theile
der Arbeit wird der ungelöst gebliebene Kalk durch Filtration abgeschieden und die
Lösung in eine mit einem Mischapparate versehene Heizpfanne gegeben. Die Temperatur
dieser Lösung wird des geringen Zuckergehaltes wegen selbst durch einen Ueberschuſs
an Kalk nicht so weit erhöht, daſs Monosaccharat entstände; es bildet sich daher
fast ausschlieſslich zweibasisches Saccharat. Diesem wird nun Chlorcalcium in
hinreichender Menge zugesetzt, so daſs unlösliches Saccharat entstehen kann, dann
gut gemischt, erhitzt und endlich eine dem zugesetzten Chlorcalcium äquivalente
Menge kaustischen Natrons zugegeben. Alsbald wird, sowohl in der Kälte wie in der
Wärme, der Zuckerkalk ausgefällt, indem der frei werdende Kalk mit dem zweibasischen
zu dreibasischem Saccharat zusammentritt und dieses sich niederschlägt.
Man erwärmt zweckmäſsig, um die Fällung zu beschleunigen und die Filtration zu
erleichtern. Diese liefert die Saccharatkuchen, welche heiſs ausgewaschen und wie
die ersten verarbeitet werden. Der vorher abfiltrirte Kalküberschuſs kann mit dem
bei der ersten Arbeit erhaltenen vereinigt und ebenso oder zur Herstellung der
Kalkmilch benutzt werden. Die Mutterlauge kann man auf Salze und
Stickstoffverbindungen verarbeiten.
Statt Chlorcalcium kann auch jedes andere Kalksalz, statt des Natrons jede andere
alkalische oder erdige Basis benutzt werden.
Bericht über die Arbeit nach obigem
Verfahren: Die verarbeitete Melasse war Ablauf vom 3. Product und zeigte:
46° B. (86 % Balling), 49,02 Zucker (scheinbare Reinheit 58), Asche 14,56.
Jede Arbeit betraf 150k oder
etwa 1hl Melasse, wie dies bei einer täglichen
Verarbeitung von 10000k der Fall ist.
1) Diese Melasse wurde auf 6,86 Proc. Zucker verdünnt, wodurch
obige 150k auf 10hl,72 kamen. Dann wurde Kalk als Kalkmilch (50 Procent des Zuckers),
welcher von dem abfiltrirten Kalküberschusse stammte, und hierauf die gleiche Menge
gebrannter Kalk in Pulverform zugesetzt. Gemaischt wurde einige Minuten lang, das
Gemisch dann durch eine Filterpresse geschickt und die klare Lösung in die
Heizpfanne gebracht. Der überschüssige, im Filter zurückgebliebene Kalk wurde mit
Dampf getrocknet, um zur Herstellung der Kalkmilch bei den weiteren Arbeiten zu
dienen. Die klare Lösung enthielt 38k Kalk auf
100k gelösten Zucker.
Beim Erhitzen begann die Abscheidung des unlöslichen Zuckerkalkes
bei 40 bis 50° und war beim Kochen vollständig. In der Siedehitze wurde abgepreſst
und mit einer etwa dem Gewichte der Kuchen gleichen Menge kochenden Wassers
ausgewaschen; dann wurde noch mit einem Dampfstrome gedeckt und getrocknet.
Man erhielt 228k oder etwa 150
Procent des Melassengewichtes Zuckerkalk von folgender Zusammensetzung:
Wasser
72,50
Zucker
16,20
Kalk
8,10
Asche
0,79.
Dies entspricht einer Fällung von 36k,936 Zucker oder 51 Procent des Zuckers der
Melasse. Die Mutterlauge ohne Waschwasser betrug 85 Procent des ursprünglichen Volumens mit 4,01 Proc.
Zucker. Das Waschwasser wurde mit der Mutterlauge vereinigt.
2) Letzteres Gemisch wurde auf 25° abgekühlt und mit 80 Procent
gebrannten Kalkes vom Gewichte des darin enthaltenen Zuckers gemaischt, filtrirt und
in die Heizpfanne gebracht. Die klare Flüssigkeit enthielt nun 40 Th. Kalk auf 100
Th. Zucker; es wurden 12k,4 Chlorcalcium oder 33
Procent des Zuckers als concentrirte Lösung zugesetzt, gut gemaischt und dann 7k,3 kaustisches Natron, d.h. 19 Procent des
Zuckergewichtes gesättigter Lauge hinzugemischt. Der Zuckerkalk fiel sofort aus, das
Gemisch wurde behufs leichteren Abfiltrirens auf 50° erwärmt, die Saccharatkuchen
mit ihrem 1½fachen Gewichte kalten Wassers ausgewaschen, die Waschlauge mit der
Abfalllauge vereinigt. Diese Wasser betrugen zusammen 10hl,8 oder 7hl,2 auf 100k Melasse. Der Zuckergehalt der Mutterlauge betrug
0g,315, der der Waschwasser 0g,750 in 1hl
(soll wohl heiſsen in 100cc!). Es wurden erhalten
205k oder auf 100 Melasse 135k Saccharat von folgendem Gehalte:
Wasser
72,60
Zucker
15,60
Kalk
8,84
Asche
0,82.
Es waren darin also enthalten 31k,859 oder 43 Procent des Zuckers der Melasse.
Im Ganzen waren erhalten worden:
k
In
der
ersten
Fällung
36,936
„
„
zweiten
„
31,859
Verlust in den Abläufen
4,735
––––––
73,530.
Danach sind vom eingeführten Zucker 93,56 Proc.
erhalten worden; eine Melasse von 50 Proc. würde also (in Saccharat) 46,78 Zucker
geliefert haben.
Die beiden Zuckerkalke wurden zusammen zu einer Milch von 12° B.
verehrt, aussaturirt und der erhaltene Saft wie üblich filtrirt, verdampft und
verkocht. Der Saft zeigte 11,92 Proc. Zucker bei einer scheinbaren Reinheit von
91,5, der Dicksaft bei 23° B. einen Zuckergehalt von 43,25, eine scheinbare Reinheit
von 90. Das Kornkochen ergab unter Anwendung eines kleinen, wenig geeigneten
Apparates eine Füllmasse wie gewöhnliche Säfte, welche 80,1 Proc. Zucker, 4,1 Proc.
Asche und eine scheinbare Reinheit von 89 hatten. Von den 150k Melasse entfielen 84k,15 oder 56 Proc. auf diese Füllmasse. Der Verlust für diese unmittelbare
Arbeit betrug also 1,05 Procent der Melasse. Die 84k,15 Füllmasse lieferten beim Schleudern:
42k,675 weiſsen
Zucker = 28,45 % der Melasse oder 50,71 % der Füllmasse
38k,020 auf Faden
gekochtes zweites Product = 25,35 % der Melasse.
Die Handelsuntersuchung des Zuckers ergab:
Wasser
0,240
Asche
0,504
Unbekanntes
0,403
Zucker
98,85
Rendement
96,84.
Der Abfallsyrup hatte 65 Proc. Zucker und 8,54 Proc.
Asche, entsprechend Aftern Salzquotient von 7,62, war mithin besser als der
gewöhnliche.
Im Groſsen hofft man mit verbesserter Arbeit noch günstigere
Ergebnisse zu erreichen.
Es ist auffallend, daſs die Arbeit, wie sie in diesem Berichte
beschrieben ist, mit derjenigen, wie sie vorher empfohlen wird, in mehreren
wesentlichen Punkten nicht übereinstimmt. Die erste
Beschreibung des Verfahrens begreift einen ganz
eigenartigen Gedanken, nämlich den, ein vorher abgeschiedenes Gemisch von Kalk und
Zuckerkalk zu der im Sieden erhaltenen Flüssigkeit hinzuzusetzen, aus welcher
bereits unlöslicher Zuckerkalk sich ausgeschieden hat. Von diesem Zusätze werden
verschiedene Vortheile in Aussicht gestellt; in dem Berichte über die ausgeführte
Arbeit erscheint aber dieser Zusatz, auf dessen Wirkung man gespannt sein darf, nicht aufgeführt; es wird vielmehr jenes Kalkgemisch
nur zur Bereitung der in der Kälte zu verwendenden Kalkmilch benutzt. Dagegen spricht der
Arbeitsbericht vom Trocknen des abgeschiedenen Kalkes durch Dampf, wovon wieder in
der Beschreibung keine Rede war und welches doch nach Zweck, Ausführung und Erfolg
genauere Erwähnung verlangt hätte. Also über diese besonderen und eigenthümlichen
Theile dieses Verfahrens bleibt in der einen oder anderen Richtung bedauerlicher
Weise groſse Unklarkeit.
Stammer.