Titel: | Ueber die Bindung der Kalkerde in Hochofenschlacken und Portlandcement; von Dr. Kosmann. |
Autor: | Kosmann |
Fundstelle: | Band 271, Jahrgang 1889, S. 138 |
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Ueber die Bindung der Kalkerde in
Hochofenschlacken und Portlandcement; von Dr. Kosmann.
Bindung der Kalkerde in Hochofenschlacken u.
Portlandcement.
In D. p. J., 1887 265 184,
erörtert Prof. Knapp die Zustände der Kalkerde in
Hochofenschlacken und im Portlandcemente, welche in ihrem Verhalten, unter der
Behandlung mit gewissen Lösungsmitteln (verdünnter Salzsäure, Chlorammonium,
Chlormagnesium) Kalk in beträchtlichen Mengen abzugeben, eine Gleichmäſsigkeit in
der chemischen Bindung der Kalkerde verrathen, während der Zustand jenes abgebbaren
Kalkes in den beiden Materialien nicht identisch sein könne: denn der Cement
erhärtet mit diesem Kalke rasch, die Schlacke ganz und gar nicht; die Fähigkeit des
bis zur Sinterung erhitzten Cementes, ein Hydrat zu bilden, ist noch vorhanden, in
der aus Schmelzfluſs hervorgegangenen Schlacke ist diese Fähigkeit verschwunden. Die
hieran sich knüpfenden
Versuche Knapp's, eine Erklärung für dieses
unterschiedliche Verhalten der Kalkerde beider Materialien herzuleiten, scheitern an
der dermaligen Unzulänglichkeit der theoretischen chemischen Anschauungen.
Um so mehr glaube ich mit einer Deutung der chemischen Stellung der Kalkerde in den
bezeichneten Materialien nicht zurückhalten zu sollen, zu welcher mir meine neueren
Studien auf dem Gebiete der Hydratisation eine Grundlage bieten und welche sich
daher ergibt wie folgt:
1) Die Zusammensetzung der Hochofenschlacke, welche nach den älteren Bezeichnungen
als einem Singulosilicate entsprechend angesehen wird und nach neuerer Anschauung
als Orthosilicat aufzufassen sein würde, darf angesichts ihrer Schmelzbarkeit und
des chemischen Verhaltens eines Theiles der darin enthaltenen Kalkerde nicht als ein
Orthosilicat gelten. Sie ist vielmehr, wie dies auch aus analogen Untersuchungen Hilgenstock'sStahl und Eisen, 1887 S. 559. Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1888 S.
82. hervorgeht, als ein basisches Metasilicat anzusehen. Die
Molekularformel der Schlacke ist daher nicht Ca2SiO4, sondern , d.h. das Kalkmetasilicat hat 1 Mol. CaO
aufgenommen, indem zwischen beiden Verbindungen eine je einwerthige Bindung besteht.
Auch aus den Bemerkungen von ElbersBerg- und hüttenmännische Zeitung, 1888 S.
254. geht diese Thatsache hervor, indem er die Verbindung Ca2SiO4 als
Anfangssilicat bezeichnet, welches eine groſse Sättigungsenergie habe und daher
leichter einschmelze als das von Percy als unschmelzbar
befundene Gemisch 2CaO.SiO2; er bezeichnet daher
auch die Sättigungsstufe von Hochofenschlacken als einem basischen Singulosilicat
(Metasilicat) entsprechend. – Die eigentliche Ursache dieses chemischen Verhaltens
ist von den genannten Beobachtern nicht eingesehen worden, wenngleich Elbers (a. a. O.) dafür eine mechanische Erklärung zu
geben versucht; diese Ursache leitet sich aus den hydratisirten Verbindungen der
Salze ab. Es ist als eine allgemeine Erscheinung zu bezeichnen, daſs alle sogen.
normalen oder neutralen Salze oder Salze solcher Säuren, welche einer höheren
Sättigungsstufe fähig sind, sich in Folge ihrer hohen Wärmetönung leicht
hydratisiren und in diesem hydratisirten Zustande ungesättigte Verbindungen
darstellen, welche noch ein oder mehrere Moleküle ihrer Base aufzunehmen vermögen;
alle diese Salze haben ätzende Eigenschaften und bilden auf die bezeichnete Weise
basische Salze: Kupferchloridhydrat nimmt bis zu 3 Mol. CuO auf, die Vitriole bilden
basisch schwefelsaure Salze, Bleiacetat löst Bleioxyd auf und wird zu Bleiessig,
Zinksilicat bildet durch Aufnahme von 1 Mol. ZnO das Kieselzinkerz, Kalkcarbonat
nimmt 1 Mol. MgO auf und bildet den Predazzit, Der Vorgang wird durch folgende
Formeln ausgedrückt:
Kupferhydrochlorid CuCl2 + 2H2O ist in einer der Hydratisation entsprechenden
Formel = Cu(OH)2(HCl)2; durch Aufnahme von 1 Mol. CuO entsteht eine höhere Verbindungswärme,
welche 1 Mol. H2O austreibt, und es entsteht
; bei weiterer Austreibung von Wasser entsteht .
Ebenso entsteht aus Zinksilicat: Zn(OH)2SiO(OH)2 durch Eintritt von 1 Mol. ZnO das Kieselzinkerz
und bei weiterem Wasseraustritte oder Willemit.
Auf ähnliche Weise sind auch die verschiedenen Bleioxychloride: Matlockit, Mendipit,
Laurionit, sowie der Phosgenit entstanden.
Dieses Verhalten beobachten auch die wasserfreien und demgemäſs die in Schmelzfluſs
befindlichen Salze; das Quecksilberoxychlorid kann z.B. wegen seiner niedrigen
Wärmetönung sich nicht hydratisiren, nimmt aber anstatt der 2 Mol. Wasser H2.(OH)2, welche es
im hydratisirten Zustande enthalten würde, 2 Mol. HgO auf, indem 4 Atome H durch 2Hg
vertreten werden, und bildet .
Aus der Analogie mit Willemit findet nun auch die Entstehung des basischen
Metasilicates in den Hochofenschlacken seine Erklärung. Da
aber dieses Molekül CaO seine, wenn auch nur einseitige, chemische Bindung gefunden
hat, so kann es nicht mehr kaustisch aufschlieſsend auf das Silicat einwirken.
2) Aehnlich verhält es sich mit der Thonerde in den
Hochofenschlacken. Es ist von vielen Metallurgen, von HenrichEngineering and Mining Journal. Bd. 42 S. 16 und
42. Berg- und hüttenmännische Zeitung, 1887 S.
244., StoneBerg- und hüttenmännische Zeitung, 1884 S.
313. und Elbers (a. a. O.) bemerkt
worden, daſs Thonerde stets sauer in niedrigen, basisch in höheren
Schmelztemperaturen wirkt. Man hat dies Verhalten ebenfalls aus den Wärmetönungen
der verschiedenen Hydratstufen der Thonerde abzuleiten. Ich habe in verschiedenen
früheren AufsätzenBerg- und hüttenmännische Zeitung. 1888 S. 78.
Stahl und Eisen, 1888 S. 586.
hervorgehoben, daſs die Thonerde drei verschiedene Hydrate bildet:
1)
Den
Göthit
Al2O3 +
H2O
= Al2O2.(OH)2
2)
„
Bauxit
Al2O3 +
2H2O
= Al2O.(OH)4
3)
„
Hydrargillit
Al2O3 +
3H2O
= Al2.(OH)6
und daſs diesen Hydraten im wasserfreien Zustande die Oxyde
Al2O2.O, Al2O.O2 und Al2.O3 entsprechen
müssen. Einem jeden Hydrate und dem entsprechenden Anhydride kommt eine eigene
Wärmetönung zu, welche um so höher ist, je mehr Moleküle Sauerstoff sich mit Al zu
einer Gruppe verbinden.
In der Gruppirung Al2O.O2 ist die Säuerungsstufe ganz analog derjenigen der Kieselsäure und wird
dieselbe daher in Schmelzflüssen von niederen Wärmetönungen ähnlich wirkend wie die
Kieselsäure in ihren chemischen Aeuſserungen auftreten. In der Gruppirung der
höchsten Wärmetönung aber, Al2O2.O, nimmt die Thonerde die Constitution einer
monoxydischen Base an und tritt damit in die Reihe der Monoxyde ein, verhält sich
also auch als solche. Es kann daher als wahrscheinlich angenommen werden, daſs, wenn
in den Hochofenschlacken das Kalksilicat der Zusammensetzung entspricht, auch die Thonerde in ihrem, der Kieselsäure analogen Verhalten ein
Kalkaluminat von der Zusammensetzung oder auch bloſs
CaAl2O.O3 bilden
werde.
Jedenfalls ist auch in dieser Verbindung der Kalk seiner caustischen Eigenschaften
verlustig gegangen.
Nun hat ElbersThonindustrie-Zeitung, 1885 S. 457. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure,
1885 S. 1022. in höchst bemerkenswerther Weise dargethan, daſs
Hochofenschlacken durch ein Abröstungsverfahren, welches er als „Raffiniren“
bezeichnet, in einen Zustand der Regeneration übergeführt werden können, in welchem
sie direkt zur Cementbereitung benutzbar werden. Elbers
ermangelt der Hinzufügung einer wissenschaftlichen Erklärung für die chemischen
Ursachen der bei dieser „Raffination“ statthabenden Vorgänge. Dieselbe dürfte
am ehesten darin gefunden werden, daſs die vorsichtige Wiedererhitzung der Schlacke
eine Heranziehung der Wärmetönungen der darin erhaltenen Silicat- und
Aluminatverbindungen bewirkt und in ihrem Verlaufe völlige Analogie mit dem Auf
härten und Ausglühen gehärteten Stahles darbietet, demgemäſs auch mit einer
molekularen Bewegung der kleinsten Theile verbunden ist. Es werden durch diese
Regenerirung die in der geschmolzenen Schlacke in chemisch gebundenem Zustande
vorhandenen Verbindungen in Verbindungen niederer Wärmetönung übergeführt und, indem
die chemischen Bindungen aufgehoben werden, die Verbindungen in einen Anfangszustand
chemischer Einwirkung zurückgeführt, in welchem sie wieder reactionsfähig, vor Allem
der Wasseraufnahme fähig werden. Die Fähigkeit, Wasser aufzunehmen, bildet aber die
Voraussetzung für die Bereitung hydraulischer Mörtel.
3) Für die Darstellung des Portlandcementes kommen die vorstehend erörterten Eigenschaften der
Silicate und Aluminate zur vollwichtigen Bedeutung. Die Darstellung guten Cementes
beruht auf der angemessenen Mischung bezieh. Versinterung von Kalkstein und Thon
behufs Bildung von kalkbasischen Silicaten und Aluminaten, weiche
wasseraufnahmefähig sind, ohne daſs der Gehalt an caustischem Kalk überwiegt. Es
kommt hier auf ein richtiges Verständniſs der mineralchemischen Constitution des
Thones an.
Der Thon wurde bisher nach der Formel Al2Si2O7 + 2H2O oder nach der empirischen Formel H4Al2Si2O9 als ein
wasserhaltiges Anderthalb-Silicat der Thonerde angesehen. Ein solches Silicat ist
der Thon, wie ich bereits an anderen Stellen aus einander gesetzt habe, nicht. Da bei der Hydratisirung der Verbindungen nach
dem Berthelot'schen Gesetze die Verbindung entsteht, welche die höchste Wärmeenergie entwickelt, so
hat sich in dem Thonerdesilicate das vierwerthige Thonerdehydrat Al2O.(OH)4 gebildet,
und gibt sich demgemäſs der Thon als ein Metasilicat des Aluminiumdihydroxydes zu
erkennen, entsprechend der Formel Al2O.(OH)4(SiO2)2.
Die Cementbereitung hat nun in der Zumengung von Kalkerde darauf zu sehen, daſs bei
der nachfolgenden Versinterung der Mischung Anfangssilicate und -Aluminate von der
Zusammensetzung gebildet werden, wie sie die Hochofenschlacke in vorgeschrittener
Verschmelzung zeigt. Für die hieraus sich ergebende synthetische Berechnung der
Cementzusammensetzung darf ich den Anspruch erheben, auf dieselbe zuerst hiermit
hinzuweisen. Nach der obigen Vorschrift sind zu bilden
1) Für 2 Mol. Kieselsäure die Verbindungen
2) Für 1 Mol. Thonerde die Verbindung
Es werden demnach in der Mischung von
vorhanden sein
Mol.-Gew.
in Proc.
6
Mol.
CaO
= 6 × 56
=
336
=
60,206
2
„
SiO2
= 2 × 60
=
120
=
21,502
1
„
Al2O3
=
=
102,08
=
18,291
–––––
Summa
558,08
99,999
Da aber die meisten Kalksteine und Thone – letztere z. Th. in beträchtlicher Menge –
Beimengungen von freier Kieselsäure enthalten, so stellt sich das procentuale
Verhältniſs in der Praxis so, daſs die Cemente nur ½ Mol. Thon (bezieh. Eisenoxyd)
bis ⅔ Mol. desselben enthalten, während die Kieselsäure dadurch um ⅚ bezieh. ½ Mol.
wächst. Man erhält dann folgende Zusammensetzung
6
Mol.
CaO
= 6 × 56
=
336
=
60,32
2⅚
„
SiO2
= 2⅚ × 60
=
170
=
30,51
0,5
„
Al2O3
= 0,5 × 102,08
=
51,04
=
9,16
––––––
–––––
Summa
557,04
99,99
oder
6
Mol.
CaO
= 6 × 56
=
336
=
60,71
2,5
„
SiO2
= 2,5 × 60
=
150
=
27,10
0,66
„
Al2O3
= 0,66 × 102,08
=
67,4
=
12,17
–––––
–––––
553,4
99,98
Diese procentualen Zusammensetzungen werden durch die Analysen empirisch
zusammengesetzter, bewährter Cemente bestätigt.Vgl. Dr. W. Michaelis, die hydraulischen Mörtel,
Leipzig 1869 S. 89.
Von den im Rohgemenge der Cementmasse vereinten Bestandtheilen geräth vermöge des
darauf folgenden, bis zur Versinterung getriebenen Brennverfahrens zunächst der Kalk
in den Zustand der Causticität und wirkt aufschlieſsend auf das Thonerdesilicat,
d.h. er tritt trennend zwischen Thonerde und Kieselerde ein und bildet mit denselben
Anfangsaluminate bezieh. -Silicate. Die so bezeichneten Verbindungen sind ihrer
Wärmetönung nach, wie nach der gegenseitigen Stellung der wasserfreien Glieder
äuſserst reactionsfähig für eine Wasseraufnahme. Diese Stellung von Base zu Säure
ist vollständig analog derjenigen der Glieder des gebrannten Gypses; eine
Betrachtung der chemischen Stellung der letzteren zu einander wird das Verständniſs
für das Ergebniſs des Cementbrennprozesses erleichtern.
Der Gyps CaSO4 + 2H2O
ist als ein Kalkhydrosulfat der Monohydratschwefelsäure anzusehen, und entspricht
daher seine Zusammensetzung der Formel: Ca(OH)2.SO2(OH)2. Durch Erhitzen auf die Wärmestufe, in welcher das Wasser ausgetrieben wird,
ohne daſs eine Versinterung eintritt, gerathen Base und Säure in einen Zustand
chemischer Spannung, indem jedes Glied für sich caustisch geworden ist, entsprechend
der Formel CaO.SO3; dieser Zustand befähigt
dieselben, sich in höherem Grade zu hydratisiren als das natürliche Hydrat, also
mehr Wasser aufzunehmen, als die ungebrannte Mineral Verbindung enthielt; und zwar
nimmt der gebrannte Gyps 6 Mol. H2O auf, indem er
das Hydrat H2Ca(OH)4S(OH)6 bildet.
Dasselbe Verhältniſs beherrscht die Glieder des gebrannten Cementes; man hat
darin
2\,(2\mbox{CaO.SiO}_2)+2\,\mbox{CaO.}=\left\{
\mbox{Al}_2\mbox{O}\atop\mbox{Si} \right\}\mbox{O}_4.
und es entstehen demgemäſs bei dem Anrühren des Cementmehles
mit Wasser die Hydrate Ca2(OH)4.Si(OH)4 und
\mbox{Ca}_2(\mbox{OH})_4.\left\{
\mbox{Al}_2\mbox{O}.(\mbox{OH})_4\atop\mbox{Si}(\mbox{OH})_4 \right\},
d.h. ein Orthosilicathydrat und ein Orthosilicat-Aluminathydrat der Kalkerde. Dies
dürfte die Natur der in ihrer zeolithischen Zusammensetzung viel umstrittenen
Hydrate sein.
Die vorstehende Erörterung kann als Beispiel dienen, wie eine Reihe von Fragen über die im
Schmelzflusse auftretenden chemischen Vorgänge auf dem Wege der
Hydratisationstheorie zu lösen sind.