Titel: | Ueber das Verhalten von Eisen und Eisenconstructionen im Feuer; von A. Martens, Ingenieur in Berlin. |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 259 |
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Ueber das Verhalten von Eisen und
Eisenconstructionen im Feuer; von A. Martens, Ingenieur in Berlin.
Mit Abbildungen.
Ueber das Verhalten von Eisen und Eisenconstructionen im
Feuer.
Ueber die wesentlichen Ergebnisse der Versuche über die Veränderungen der Festigkeit
des Eisens in Folge Einwirkung der Wärme hat der Verfasser zur Zeit in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1883 S.
127, berichtet. Die dort gegebenen Schaulinien beziehen sich auf die Untersuchungen
des Franklin-Institute, Fairbairn, Styfe, Kollmann und
Englische Admiralität und zeigen im Groſsen und
Ganzen, wie eine erhebliche Festigkeitsabnahme bei allen untersuchten Eisensorten
erst zwischen etwa 300 und 500° einzutreten pflegt. Bei 500° darf man die Festigkeit
aller Eisensorten kaum auf die Hälfte ihrer gröſsten Festigkeit veranschlagen, die,
so weit erkenntlich, bei etwa 100 bis 200° eintreten dürfte (vgl. Fig. 1).
Fig. 1., Bd. 272, S. 259
Fig. 2., Bd. 272, S. 259
Fig. 3., Bd. 272, S. 259
Fig. 4., Bd. 272, S. 259
Trotz der bereits zahlreichen Untersuchungen ist unsere
Kenntniſs über die Veränderungen unter dem Einflüsse der Wärme nicht in der Weise
erweitert worden, daſs der Constructeur hiervon Gebrauch machen könnte. Letzterer
braucht ganz besonders die Angabe, um wie viel bei der Erwärmung die elastischen
Eigenschaften, namentlich die Elasticitätsgrenze, verändert werden. Die Festigkeit
kann ihm um so weniger ein Maſs für die Verläſslichkeit seiner Constructionen bei
Feuersgefahr geben, als bei dem erhitzten Eisen weit mehr als beim kalten die Zeit
(d. i. die Streckgeschwindigkeit) einen hervorragenden Einfluſs auf die Ergebnisse
der Bruchfestigkeit hat. Ganz besonderer Werth muſs daher auf die Feststellung des
Elasticitätsmoduls, der Proportionalitäts- und Streckgrenze am erhitzten Eisen
gelegt werden. Dieser
Frage ist der Verein zur Beförderung des
Gewerbefleiſses in Gemeinschaft mit dem Vereine
deutscher Eisenhüttenleute näher getreten. Die Versuchsausführung stöſst in
Bezug auf die Feinmessungen auf ganz erhebliche Schwierigkeiten, so daſs leider der
Fortgang der Untersuchungen bisher nur ein langsamer sein konnte.
Der Verein für Gewerbefleiſs hat durch Stellung der
Preisaufgabe über das Verhalten von eisernen Säulen im FeuerVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1885. zwei
lehrreiche Versuchsreihen veranlaſst.
Die erste dieser Versuchsreihen wurde von Prof. Bauschinger in MünchenMitth. a. d. mechan.-techn. Laboratorium in
München, 1885 Heft 12. 1887 Heft 15., die zweite von M. Möller und R. Lühmann
in HamburgVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1887 S.
573. ausgeführt. Wenngleich die zweite Reihe für die unmittelbar
praktische Ausnutzung der Ergebnisse unzweifelhaft ein gröſseres Interesse bietet
als die erste, so ist doch für die in sich bedeutenden Arbeiten Bauschinger's das Verdienst in Anspruch zu nehmen, die
Anregung für die Möller'sche Arbeit gegeben zu haben.
Bauschinger hat die empfindliche und werthvolle Werder-Maschine für seine Untersuchungen benutzt, und
ist durch die Einwendungen Möller'sDeutsche Bauzeitung, 1886 Nr. 53 und
55. zur Ausführung noch einer zweiten Versuchsreihe veranlaſst,
jedoch sind die nach einem breiter angelegten Plane durchgeführten Versuche Möller's erschöpfender, wenn sie auch in Bezug auf die
Genauigkeit und Vollkommenheit der Messungen sich mit denen Bauschinger's nicht vergleichen können.
Der Verfasser zieht aus der Möller'schen Arbeit kurz die
praktisch wichtigsten Schluſsfolgerungen und bezieht dieselben auf die Untersuchung
der Trümmer bei dem groſsen Speicherbrande in Berlin, Kaiserstraſse 42, gemachten
Erfahrungen, um auf einige wichtige Punkte bezüglich der Feuersicherheit von
Eisenconstructionen hinzuweisen.
Möller macht zunächst darauf aufmerksam, daſs für Säulen
in Bauconstructionen die Annahme einer vollkommen centrischen Beanspruchung die
unwahrscheinlichste ist und hat deswegen seine Versuche alle so ausgeführt, daſs in
der Kegel die Resultante des Druckes um 10mm
auſserhalb der Säulenmittellinie lag, so daſs die zu erwartende Durchbiegung der
wagerecht eingespannten Säule nach unten gerichtet war. Da das Feuer unter der Säule
angefacht wurde, so war bei dieser Anordnung zugleich die gefährlichste Art der
Inanspruchnahme gegeben. Die Versuche wurden in einer einfachen hydraulischen Presse
durchgeführt. Die Kraftmessung geschah durch Manometer, welche den Druck im Cylinder
anzeigten, die Durchbiegungsmessung mit einem Fühlhebel. Beide Methoden müssen zwar
angesichts der offen zu Tage liegenden Mängel als roh und ungenau bezeichnet werden,
indessen kommen die
hierdurch verursachten Trübungen des Ergebnisses praktisch wenig in Betracht, da sie
durch die Zahl der Versuche und namentlich durch den befolgten Plan einigermaſsen
unschädlich gemacht werden. Die Messung der Erwärmung geschah, wie bei den Bauschinger'schen Versuchen, durch
Schmelzlegirungen.
Nach einer eingehenden Besprechung der Umstände, welche Anlaſs zur schiefen
Beanspruchung sein können, erläutert Möller die zur
Berechnung von Säulen angewendeten Formeln von Euler
und Schwarz und schlieſst hieran eine eigene Formel zur
Berechnung excentrisch beanspruchter Stäbe auf Zerknickungsfestigkeit, bezüglich
welcher auf das OriginalVerh. d. Ver. f. Gewbfl., 1887 S.
573. verwiesen wird. Diese Formel wird auf Grund der
Versuchsergebnisse schlieſslich dahin erweitert, daſs sie diejenigen
Querschnittsabmessungen liefert, für welche die Säule bei den gemachten Annahmen
auch noch standsicher im Feuer bleibt.
Zu den Versuchen sind rohrähnliche glatte Säulen ohne Fuſsplatte und Kapital benutzt;
man wendete in der Regel für jede Versuchsstufe zwei Säulen von gleichen
Abmessungon, die eine aus Schmiedeeisen, die andere aus Guſseisen an. Alle
Eisenstützen hatten 62 bis 64qcm Querschnitt,
120mm inneren und 150mm äuſseren Durchmesser, also 15mm Wandstärke. Die Guſssäulen hatten an jedem Ende
eine Verstärkung um 5mm von 40mm Breite; sie waren 1, 2 und 4m lang, während die Länge der Schmiedesäulen 1 und
2m betrug. Um den Einfluſs der
Querschnittsform zu erweisen, wurden volle Säulen von 90mm Durchmesser, also etwa 64qcm Fläche,
und 1, 2 und 4m Länge benutzt. Die genieteten
Stützen hatten bei 2m Länge vorstehend
gezeichneten Querschnitt (Fig. 2). Winkel und
Flacheisen zusammen haben wiederum 64qcm
Querschnittsfläche.
Um die Wirkungen zu zeigen, welche Schutzvorkehrungen auf die Standsicherheit der
Säulen im Feuer haben, sind folgende Probestücke hergerichtet. Eine Guſssäule wurde
oben und unten mit Flanschen von 280mm Durchmesser
und auſserdem in 300mm Abständen mit jeweilig vier
angegossenen Dornen von 48mm Länge versehen. Um
letztere wurde Bindedraht geschlungen, welcher den 60mm dicken Cementputz von 1 Th. Cement und 3 Th. Sand festhielt. Aehnlich
war ein gleiches Schmiederohr ummantelt. Eine Nietstütze wurde mit Föhrenholz von
30mm Stärke ummantelt, welches durch eine
Hülse von 1mm starkem Eisenbleche eingeschlossen
war. Je eine Guſs- und Schmiedesäule wurde mit 1 Th. Cement und 1 Th. Sand
ausgegossen, während in eine zweite Guſssäule ein Gasrohr von 60mm Durchmesser eingeführt und mit 1 Th, Cement und
3 Th. Sand vergossen wurde. Der Cementkern sollte die Standfestigkeit erhöhen, das
Gasrohr der Guſssäule dieselbe auch dann noch erhalten, wenn sie im Feuer Risse
bekam.
Möller's Schluſsfolgerungen aus seinen
Versuchsergebnissen lassen sich etwa wie folgt zusammenfassen:
1) Entgegen den Ergebnissen der ersten Bauschinger'schen
Versuchsreihe findet Möller, daſs bei 10 Guſssäulen
keine Risse durch Anspritzen im glühenden Zustande entstanden sind. Bauschinger kommt bei seiner zweiten Reihe zu ähnlichem
Ergebnisse. Der Umstand, daſs Möller mit frisch
gegossenen Säulen arbeitete, läſst bei ihm die sonderbare Vermuthung entstehen, daſs
das Guſseisen, ähnlich dem Cemente, mit dem Alter seine Festigkeitseigenschaften
ändern möge. Es liegt wohl näher, an eine verschiedene Gattirung des Eisens oder an
eine bei den verschiedenen Versuchsreihen benutzte andere Guſsweise zu denken; Bauschinger's erste Säulen waren Ausschuſsstücke.
2) Aus Bauschinger's Versuchen, sowie aus anderweitigen
Erfahrungen weiſs man, daſs Guſssäulen trotz der durch schnellen Wärmewechsel etwa
eingetretenen Risse noch tragfähig bleiben können. Diese Risse können bei
gegenseitigen Verschiebungen der Bruchquerschnitte und beim Auftreten von
Biegungsmomenten gefährlich werden. Man muſs daher erstens die Guſssäulen central
belasten und kann sie zweitens nach Möller's Vorgehen
mit einem eingesetzten Kerne (Gasrohre) versehen, zu dessen Befestigung jedoch
zweckmäſsig die Cementmörtelfüllung vermieden wird, da sie wegen ihrer
Dampfentwickelung gefährlich werden kann.
3) Die der Guſssäule zugemuthete Belastung darf nur so groſs sein, daſs die im Feuer
einseitig erwärmte und angespritzte Säule in Folge des entstehenden Biegungsmomentes
keine Zugspannungen erfährt; letztere müssen wegen der Gefahr bei etwaiger
Riſsbildung vermieden werden.
4) Viel wichtiger als die Frage wegen des zu verwendenden Materials ist die Anwendung
richtiger Constructionsverhältnisse. Die Guſs- und die Schmiedesäule kann in
gleichem Maſse feuersicher construirt werden, wenn die Abmessungen richtig gewählt
werden. Die Säulen dürfen nicht zu schlank construirt werden. Es empfiehlt sich, L/D
(Länge zum Durchmesser) kleiner als 10 zu wählen, wenn die Säule beweglich, und L/D
< 17, wenn sie fest eingespannt ist. Es ist hier darauf aufmerksam zu machen,
daſs absolute Feuersicherheit bei dem im Feuer geborenen Eisen nicht erwartet werden
kann.
5) Durch den Mantel läſst sich die Wirkung des Feuers längere Zeit aufhalten; die
Säule wird vor übermäſsiger, einseitiger Erwärmung durch das Feuer und vor
einseitiger Abkühlung durch Anspritzen geschützt.
6) Guſseisen kann leichter als Schmiedeeisen in einem Querschnitte angehäufte
Materialfehler enthalten, welche sich dem Auge entziehen. Lühmann empfiehlt daher, Säulen mit sichtbaren Kaltguſsstellen jedenfalls
nicht zu verwenden; man darf diesen Satz wohl auf alle äuſserlich sichtbaren
Materialfehler ausdehnen.
Selten hat wohl eine Brandstelle auf den ersten Blick den bösen Erfahrungen mit
Eisenconstructionen so sehr das Wort geredet als die Trümmerstätte des Brandes in
der Kaiserstraſse zu Berlin. Aber gerade die Erfahrungen, welche sich an der Hand
dieser Trümmer gewinnen lassen, zeigen auch, wie sehr die oben unter 3) und 4)
gegebenen Regeln berechtigt sind, und in wie hohem Maſse die Unsicherheit in Folge
mangelhafter Construction die in der Festigkeitsverminderung des erwärmten Eisens
begründete Gefahr überwiegt.
Weil diese Trümmer so lehrreich sind, soll dem Leser in knapper Form ein Bild
derselben angegeben werden, wobei auf Einzelheiten der Bauausführung nicht weiter
eingegangen wird als unumgänglich nöthig ist.
Das Gebäude wurde zum Lagern von Textilstoffen, Tabak u.a.m. benutzt. Die Räume waren
um einen inneren Hof gruppirt, von welchem in allen Geschossen groſse Fenster Licht
empfingen. Die Umfassungswände waren nach drei Seiten ebenfalls mit groſsen
Fensteröffnungen versehen. Das Gebäude hatte fünf Geschosse, war 21m hoch und durch eine Brandmauer in zwei Theile
getheilt. Die Decken wurden durch Gruppen von guſseisernen Säulen getragen, welche
die auf Consolen gelagerten Unterzüge und einen Theil der Kappen träger stützten.
Zwischen die Kappenträger waren Kappen eingewölbt. Die Unterzüge lagen also völlig
frei, während die Kappenträger bis auf den unteren Flansch versteckt waren. In
einzelnen Geschossen lag die Waare bis zum Kopfe der Säulen angehäuft; einzelne
Geschosse waren leer. Die Zerstörung durch das Feuer nahm so schnell überhand, daſs
ein groſser Theil des Gebäudes bereits eingestürzt war, als die Feuerwehr kam.
Letztere konnte nur von den Nachbarhäusern aus den Angriff unternehmen, da die
eisernen Thüren in den Treppenhäusern verschlossen waren und den Zutritt hinderten.
Auſserdem waren die Kappen der Böden gröſstentheils bereits so unsicher, daſs an ein
Betreten nicht zu denken war.
Die unheimliche Schnelligkeit, mit welcher der Einsturz erfolgte, und der groſse
Umfang, den die Verwüstung annahm, kann nur durch das Zusammentreffen vieler
ungünstiger Zustände erklärt werden. Der Brennstoff (die Waare) war bis nahezu an
die Unterzüge gehäuft. Nach dem Zerspringen der Fensterscheiben entstand ein
äuſserst lebhafter Zug, durch den als Schlot wirkenden Hof veranlaſst, welcher das
Feuer lebhaft anfachte und die Stichflamme in ihrer Richtung von auſsen nach dem
Hofe quer gegen den unteren Flansch der Unterzüge führte. Diese muſsten
verhältniſsmäſsig schnell erglühen und bogen unter der starken Belastung stark
durch, wobei die Kappenträger nachgeben konnten, die Kappen Risse erhielten und
vielleicht zum Einsturz kamen. Auch die Säulen sind, wie dies aus den Trümmern
später erkannt worden ist, vielfach unterhalb der Köpfe zum Erglühen gekommen. Die gebogenen Unterzüge
drückten mit ihren Flanschen auf die vorderen Kanten der um 230mm ausladenden Console. Hierdurch wurden die
Säulen namentlich dann sehr stark excentrisch beansprucht und überlastet, wenn das
betreffende Gegenfeld einstürzte und das angehörige Consol somit entlastet war. Der
Bruch trat unmittelbar unter dem Kopfe der Säule ein, wo der schwächste Querschnitt
und zugleich der Angriffspunkt des Feuers war. Diese Bruchform konnte sich um so
leichter bilden, als etwa 1m,5 höher ein zweiter
schwacher Punkt, die Verzapfung der beiden über einander stehenden Säulenschäfte
sich befand. Die Verzapfung fand in der üblichen Weise durch in einander gesetzte
Zapfen von 30mm Länge statt. Die geschilderten
Inanspruchnahmen erfolgten mit einer solchen Gesetzmäſsigkeit, daſs fast alle nicht
gebrochenen, dem Feuer ausgesetzt gewesenen Säulen unmittelbar unter dem Kopfe
Verbiegungen und zum Theile Riſsbildungen zeigen. Ea standen noch lange nach dem
Brande Säulen, von denen die eine unter dem Kopfe zwiebelförmig aufgebläht und mit
Schubspannungsrissen versehen war (Fig. 3). Sie hatte
centrische Belastung erfahren und war deswegen auch trotz des Erglühens gerade
geblieben. Eine andere Säulenflucht stand ebenfalls noch, obgleich die untere Säule,
gleichfalls unter dem Kopfe, völlig zum Bruche gekommen war, wobei das obere
Säulenende sich in das untere einstauchte. – Die Biegungen, welche einzelne Säulen
erfahren haben, sind beträchtlich; selbst starke Säulen zeigen Durchbiegungen von
mehr als 50mm. Wie weit das glühende Guſseisen
Formänderungen erfahren kann, zeigt namentlich Fig.
4. Die Biegung ist hier unmittelbar über dem Säulenfuſse erfolgt, welcher
wahrscheinlich durch die nach dem Einstürze der Kappe durch die Lücke züngelnde
Stichflamme glühend geworden war. Dieser verbogene Säulenfuſs zeigt ebenfalls
schräge Risse. Von den unter den Trümmern gefundenen 38 Säulen sind etwa 20 Stück in
der oben geschilderten Weise in Folge der excentrischen Belastung mittels der
Console zum Bruche gegangen. Diese Zerstörung erfolgte so regelmäſsig, daſs man aus
der Bruchform noch jetzt genau anzugeben vermag, welcher der Träger, ob Unterzug, ob
Kappenträger, die Bruchveranlassung gewesen ist. Im ersteren Falle trat die
Bruchform Fig. 5 ein. Die Säule brach unmittelbar
unter dem Kopfe. Im zweiten Falle brach die Säule nach Fig.
6 durch den unteren Theil des unteren Consols und häufig auch zugleich
noch in der vorbeschriebenen Weise unter dem Säulenkopfe, so daſs drei Bruchstücke
entstanden. Brüche durch das untere Consol fanden sich im Ganzen an etwa 15 Säulen,
von denen etwa 7 Stück mit Doppelbrüchen gefunden wurden. Die Entstehung des Bruches
im unteren Consol in Folge einseitiger Belastung erklärt sich dadurch, daſs der
Säulenquerschnitt an dieser Stelle erheblich geringer ist und daſs die in diesem
Falle in der neutralen Ebene liegenden Consolrippen keine erhebliche Vergröſserung
des fraglichen Widerstandsmomentes abzugeben vermochten, wie dies bei der Beanspruchung durch den
Querträger der Fall war. Die Entstehung des zweiten Bruches ist wahrscheinlich in
der Weise erfolgt, daſs der Bruch durch das Consol zuerst, und zwar in Folge von
Ueberlastung durch den Kappenträger, entstanden ist. Ob in allen Fällen, wo
Doppelbrüche erwiesen sind, ein Erglühen unter dem Säulenkopfe stattgefunden hat,
wird schwer zu sagen sein. Jedenfalls ist es unwahrscheinlich, daſs in allen Fällen
der zweite Bruch etwa nach dem Umstürzen der Säule durch aufschlagende Trümmer
erfolgt sein sollte. Hiergegen sprechen sowohl die Zahl der Fälle dieser
Brucherscheinungen als auch vielfach die Form der Bruchstücke. Es muſs übrigens
hervorgehoben werden, daſs auch drei der noch stehen gebliebenen Säulen unmittelbar
über dem Kappenträgerconsol Querrisse zeigten, welche erst beim Abbruche bemerkt
worden sind.
Fig. 5., Bd. 272, S. 265Fig. 6., Bd. 272, S. 265Daſs übrigens in sehr vielen Fällen eine sehr starke excentrische
Beanspruchung der Säulen durch die Console hat stattfinden müssen, zeigen auch die
schmiedeeisernen Träger. Dieselben hängen häufig an ihren abgerissenen unteren
Flanschen „wie die Handtücher“ an den Säulen. Viele Träger zeigen an beiden
Enden die vom Stege abgerissenen unteren Flanschen (Fig.
7). Diese sehr häufig auftretende Zerstörungsform hat ihren Grund in den
seitlichen Leisten, welche an den Säulen angegossen waren, um die auf die Console
lose aufgelegten Träger vor der seitlichen Verschiebung und vor dem Kippen zu
bewahren (Querschnitt Fig. 8). Unter diese Leisten
konnte sich der untere Flansch der Träger festklemmen und das an dem Consolende
angreifende Moment muſste nun unter allen Umständen bis zu derjenigen Gröſse
anwachsen, welche zum Abreiſsen des Flansches vom Stege ausreichte. Die einzige
Verbindung mit den Säulen fanden die Träger dadurch, daſs auf etwa halbe Trägerhöhe
beide gegenüber liegende Enden durch die Säule hindurch mit zwei schmalen
Flacheisenlaschen gehalten wurden, welche zugleich die Verankerung der gegenüber
liegenden Gebäudeauſsenwände bildeten. Diese Construction vermochte natürlich einer
glühenden oder
gesprungenen Säule nur sehr wenig Halt zu gewähren; man hatte in diesen Fällen
sozusagen eine Mausefalle vor sich (Fig. 9), gebildet
durch die beiden schwachen Punkte a und b über und unter den Trägern, von denen a der Verschäftelung der oberen mit der unteren Säule
entspricht, während b die glühende oder gebrochene
Stelle der unteren Säule bedeutet. Waren die Träger mit der Säule oder unter
einander fest verbunden, so daſs sie dem Theile ab
einen Halt gegen Kippen gewährten, so war jedenfalls die gefährliche Mausefalle
vermieden und ein plötzliches Einstürzen des ganzen inneren Eisengerippes wäre
wahrscheinlich nicht so leicht erfolgt, als es jetzt geschehen ist. Meines Erachtens
würde auch das Erglühen einer Säule an einer beschränkten Stelle alsdann nicht so
schnell zum Bruche geführt haben, weil die sich aufblähende Säule Gelegenheit gehabt
hätte, sich in sich selbst zusammenzustauchen und so einen langsameren Zusammenbruch
eines Knotenpunktsystemes zu veranlassen. Jedenfalls scheint mir die groſse
Gleichartigkeit und Gesetzmäſsigkeit der Brucherscheinungen zu beweisen, daſs der
erschreckend schnell erfolgte Zusammensturz beider Gebäudetheile nicht so sehr Folge
einer Ueberhitzung des Eisens, als vielmehr Folge einer schlechten Construction war,
die vielleicht auch beim Zusammenbruche nur einer Säule aus irgend einem Grunde und
ohne das Hinzutreten des Feuers Veranlassung zum Zusammensturze eines groſsen
Theiles des inneren Gebäudegerippes hätte sein können.
Fig. 7., Bd. 272, S. 266Fig. 8., Bd. 272, S. 266Fig. 9., Bd. 272, S. 266Fig. 10., Bd. 272, S. 266Jedenfalls lehrt uns dieses Unglück, daſs wir eiserne Gebäudeconstructionen
vor allen Dingen vernunftgemäſs entwerfen sollen.
Die Anschauungen haben sich durch die bei diesem Brande gemachten Erfahrungen dahin
geläutert, daſs man überzeugt ist, in Stein und Eisen nicht absolut feuersicher
bauen zu können, und es fragt sich, was hat der Constructeur zu thun, um seinerseits
die Gefahr zu verringern? Daſs wir zuerst eine gesunde Construction verlangen müssen, liegt auf der Hand.
Man wird bei groſser Zahl von Säulenfluchten neben einander in vielen Fällen
vortheilhafter Schmiedeeisenconstructionen anwenden als Guſseisen, wird aber in
beiden Fällen die Formen der Stützen durchaus nur dem Zwecke anpassen, ganz ohne
Rücksicht auf den Architekten, der sich diesen Verhältnissen anbequemen muſs. Man
wird die Console thunlichst vermeiden, jedenfalls aber ihre Ausladung, durch ganz
enges Anlagern der Träger an die Säulen (Fig. 10) und
Beschränkung der Auflagerflächen auf das kleinste zulässige Maſs, so sehr vermindern
als nur immer erreichbar. Man wird die Säulen nicht nur auf einfache centrische
Beanspruchung rechnen dürfen, sondern man wird den ungünstigsten Fall in Rechnung zu
stellen haben, daſs die Säule durch das eine Constructionsfeld ganz voll excentrisch
belastet ist, während das andere völlig fehlt, wie es im Unglücksfalle vorkommen
kann. Man wird hierbei als wirkende Hebelsarme diejenigen Gröſsen einsetzen müssen,
welche bei Verbiegungen der Construction thatsächlich in Frage kommen, und die
Angriffspunkte der Reactionen nicht durch die Mitte der Auflagerflächen gehend
annehmen dürfen, wie es nach dem alten Gebrauche in der Regel zu geschehen pflegt.
Man wird nicht nur die Widerstandsmomente der Träger in Rechnung zu stellen haben,
sondern man wird sich auch vergewissern müssen, daſs an keiner Stelle des Trägers
Ueberanstrengungen in Folge von Einzellasten eintreten können, z.B. über den
Auflagern. Man wird zu überlegen haben, ob nicht durch Erzeugung fester Knotenpunkte
in der Deckenconstruction die Säule so sicher eingeschlossen werden kann, daſs sie
auch im Falle einer Gefahr vor dem Kippen gesichert erscheint. Man wird sich
überzeugen müssen, daſs diese Verbindungen andererseits nicht so fest sind, daſs, im
Falle eines Zusammenbruches der Nachbarfelder, durch die an den Knotenpunktsträgern
etwa hängenbleibenden Constructionstheile die Säule überlastet und das Innengerippe
zum Zusammensturze gebracht werden kann. Daſs man vom Baumeister verlangen muſs, ein
Haus nicht wie ein Kamin zu bauen, ergibt sich aus der früheren Schilderung und
gehört, wie die sonstigen Sicherheitsmaſsregeln in der Anlage des Gebäudes, nicht
hierher.
Die Möller'schen Versuche haben gezeigt, daſs man mit
Ummantelung der Eisentheile ihre Standsicherheit im Feuer ganz wesentlich erhöhen
kann und man wird sich diese Erfahrungen geeigneten Falles zunutze machen müssen.
Insonderheit wird man wohl das ganz allgemeine Verlangen stellen müssen, daſs alle
eisernen Deckentheile nach Möglichkeit stets in die Decke selbst gelegt sein sollen
und alle unten vorspringenden nackten Eisentheile vermieden – oder mit ausreichenden
Schutzmassen eingehüllt werden. Auch die Stützen wird man in manchen Fällen mit
Schutzmassen umkleiden müssen, was übrigens von selbst immer mehr sich einbürgern
dürfte, je mehr man der
Forderung gerecht zu werden sucht, daſs alle Stützenformen nur nackte Zweckformen
sein dürfen. (Nach Stahl und Eisen, 1888 Nr.
2.)