Titel: | Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser letzteren. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 280, Jahrgang 1891, S. 269 |
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Lüftungsanlagen im Anschluss an die
gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser
letzteren.
(Eine Artikelfolge von F. H. Haase, gepr.
Civilingenieur, Patentanwalt in Berlin.)
(Fortsetzung des Berichtes S. 175 d.
Bd.).
Mit Abbildung.
Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen
Heizungssysteme.
VII. Allgemeine Betrachtungen über Luftfeuchtigkeit.
Wenn die zur Lüftung eines Raumes verfügbare Frischluft durch Annahme der
Raumtemperatur allein schon einen Sättigungsgrad erlangt, der höher als der in dem
Raume erwünschte ist, so ist es natürlich nicht möglich, den letzteren
Sättigungsgrad im Raume überhaupt einzuhalten und eine Abführung von in diesem
selbst erzeugtem Wasserdunst kann entweder nur auf Kosten noch weiterer Erhöhung des
ohnehin schon von der Frischluft mitgebrachten Sättigungsgrades oder durch Anwendung
eines den Wasserdunst mechanisch mit sich fortreissenden Windstromes bewirkt
werden.
Ist keines von diesen beiden Mitteln zulässig, so bleibt nichts anderes übrig, als
der Frischluft vor ihrem Eintritt in den Raum Feuchtigkeit zu entziehen und zwar in
solchem Betrage, dass sie durch Annahme der Raumtemperatur einen Sättigungsgrad
erlangt, der niedriger oder allerhöchstens gleich dem im Raume erwünschten ist, und
dann ist die zum
Abführen des in letzterem selbst erzeugten Wasserdunstes erforderliche Luftmenge in
derselben Weise zu bestimmen, als wenn die einzuführende Frischluft von Natur schon
den ihr vorher ertheilten Sättigungsgrad besässe.
Der Wassergehalt der Frischluft lässt sich vermindern, indem man diese entweder auf
ihrem Wege zu dem zu lüftenden Raume mit Körpern in Berührung bringt, welche grosse
Neigung besitzen, Wasser in sich aufzunehmen, oder aber, indem man ihren
Sättigungsgrad ohne Wasserzuführung soweit erhöht, dass sich ein Theil des in ihr
enthaltenen Wassers in Tropfenform niederschlägt. Die erstere dieser beiden
Wasserentziehungsmethoden ist wegen der Nothwendigkeit, das von dem
wasserentziehenden Körper aufgenommene Wasser nach kürzerer oder längerer Frist
immer wieder zu verdampfen, im Allgemeinen als für Lüftungsanlagen ungeeignet zu
bezeichnen; die zweite Methode dagegen lässt sich in zweierlei Weise bei
Lüftungsanlagen praktisch durchführen, nämlich:
a) durch Abkühlung der Frischluft,
b) durch Verdichten derselben unter Druck bei gleichzeitiger Abkühlung.
Zu a) Wie weit man die Aussenluft vor ihrer Einführung
in den Raum ohne Druck abkühlen muss, um sicher zu sein, dass sie durch nachherige
Annahme der Raumtemperatur keinen höheren Sättigungsgrad behält, als man ihn
wünscht, ist aus Fig. 15 unschwer zu entnehmen. So
ersieht man daraus beispielsweise, dass Luft, welche auf + 11° C. abgekühlt ist,
niemals – mag der Sättigungsgrad der Aussenluft sein, welcher er wolle – mehr als
60procentige Sättigung annimmt, wenn sie nachher ohne Wasserzuführung auf + 20° C.
erwärmt wird, und dass, wenn die Raumtemperatur nur 15° C. beträgt, eine Abkühlung
der Aussenluft auf 7,5° C. vor Einführung derselben in den Raum niemals die
Möglichkeit bietet, dass die Frischluft nachher ohne weitere Wasser aufnähme mehr
als 60procentige Sättigung durch Annahme der Raumtemperatur erlangt.
Danach ergibt sich die einfache Regel:
„Man bringe die Frischluft, bevor man sie die Raumtemperatur annehmen lässt, auf
eine Uebergangstemperatur, welche, zufolge ihrer
niedrigen Höhenlage, die Sicherheit bietet, dass die Luft durch nachherige
Annahme der Raumtemperatur ohne Wasseraufnahme niemals den im Raume erwünschten
anfänglichen Sättigungsgrad erlangt.“
Die sichersten Uebergangstemperaturen sind jedenfalls
diejenigen, durch welche die Luft auch im Falle vollständiger Sättigung behindert
wird, nachher bei Annahme der Raumtemperatur einen höheren als den im Raume
gewünschten Anfangssättigungsgrad zu behalten.
Trägt man solche Uebergangstemperaturen als Ordinaten und die in Räumen
erwünschten Sättigungsgrade der Zuströmungsluft als Abscissen eines rechtwinkeligen
Coordinatensystems auf, so erhält man für eine bestimmt gegebene Raumtemperatur und
die verschiedenen möglichen Anfangssättigungsgrade der Raumluft eine Reihe von
Systempunkten, deren folgerichtige Verbindung eine Curve ergibt, deren Verlauf ohne
weiteres darüber belehrt, welche Uebergangstemperatur man jeweils zur sicheren
Erzielung eines erwünschten Raumluft-Anfangssättigungsgrades der Frischluft vorerst
zu ertheilen hat, bevor man sie auf die Raumtemperatur bringt. Man kann deshalb eine
solche Curve als Curve der sichersten Uebergangstemperaturen für erwünschte
Anfangssättigungsgrade der Zuströmungsluft im Raume, oder kurz als Curve der sichersten Uebergangstemperaturen
bezeichnen.
Textabbildung Bd. 280, S. 269Fig. 24.Schaulinien der sichersten Uebergangstemperaturen. In Fig. 24 sind derartige Curven für die
Raumtemperaturen t2 =
12°, 15°, 20°, 25°, 30°, 40°, 50° und 80° C. dargestellt.
Man ersieht daraus ohne weiteres, dass für Trockenkammern, deren Temperaturen
zwischen 40 und 80° C. liegen, ein vorheriges Abkühlen der Frischluft vor ihrer
Einführung in die Kammer kaum jemals erforderlich ist, weil sie schon bei 25° C. im
Freien, selbst im Falle vollständiger Sättigung (ein Fall, der an der Grenze der
möglichen Vorkommnisse liegt) nur 55procentige Sättigung in einen auf 40 °C.
erwärmten Trockenraum mitbringen würde.
Bei einer Aussentemperatur von 30° C. würde die Frischluft allerdings 70procentige
Sättigung mit in den Raum bringen, wenn bei dieser Temperatur die Luft im Freien
einmal vollständig gesättigt wäre; es ist indessen bisher nicht bekannt geworden,
dass bei solch hoher Aussentemperatur jemals eine höhere als 75procentige Sättigung
beobachtet worden wäre und selbst dieser Sättigungsgrad dürfte nur äusserst selten
zu beobachten sein. 75procentige Sättigung der 30 gradigen Aussenluft ergibt aber –
wie an Fig. 15 leicht zu controliren ist – anstatt
70procentiger nur 70 × 0,75, d. i. 52,5procentige Anfangssättigung für die auf 40°
C. gebrachte Zuströmungsluft.
Bei einer Raumtemperatur von 30° C., welche in mancherlei Arbeitsräumen vielfach
vorkommt, ergibt es sich schon zeitweise als zweckmässig, die Frischluft vor ihrer
Einführung in den Raum abzukühlen, und zwar insbesondere dann, wenn in diesem Raume
selbst viel Wasserdunst entwickelt wird, wie beispielsweise in Waschräumen; denn
besitzt die Aussenluft ebenfalls eine Temperatur von 30° C. und dabei 60procentige
Sättigung, so strömt die Frischluft schon mit 100 × 0,6 (nach Fig. 24), d. i. 60procentiger Sättigung in den Kaum
selbst ein und das Einhalten 75procentiger Sättigung in diesem Raume erfordert dann,
nach Gleichung (12), schon eine Lüftungsmenge von 5,2 cbm für jedes Kilogramm
verdampften Wassers, was für manche Industriearbeitsräume (insbesondere für
Waschräume) der Benöthigung eines Luftwechsels entsprechen würde, dessen Betrag den
zur Erhaltung genügend reiner Luft erforderlichen so weit übersteigt, dass man ihn
aus praktischen Gründen nicht mehr als zweckmässig empfehlen kann. Immerhin liegt
jedoch für Räume, deren Temperatur dauernd 30° C. und mehr beträgt, eine dringende
Nothwendigkeit, bestimmte Uebergangstemperaturen einzuhalten, nur in seltenen Fällen
vor; ist dagegen die Temperatur des zu lüftenden Raumes niedriger als 30° C., so ist
es immer empfehlenswerth, die Frischluft, bevor sie in diesen Raum einströmt, durch
einen anderen Raum hindurchströmen zu lassen, dessen Temperatur stets auf derjenigen
niedrigen Höhe erhalten wird, in welcher sie sich als erforderliche
Uebergangstemperatur für den ungünstigst vorkommenden Fall erweist.
In der That wird man im Allgemeinen als höchsten vorkommenden Sättigungsgrad der
Aussenluft 80procentige Sättigung (für weitaus die meisten Gegenden) anzunehmen und
demgemäss, vom theoretischen Standpunkte aus betrachtet, diejenige
Uebergangstemperatur einzuhalten haben, welche sich aus Fig. 24 für den erwünschten Anfangssättigungsgrad der dem zu lüftenden
Raume zuströmenden Frischluft ergibt, wenn man die, 100procentiger Sättigung der
Raumluft entsprechende Abscissenlänge als 80 Proc. entsprechend betrachtet und
demgemäss eintheilt, wie es durch die strichpunktirten Ordinaten angedeutet ist,
welche den darauf bezeichneten Raumluft-Anfangssättigungsgraden für den Fall
80procentiger Sättigung der Frischluft (s1
= 0,8) im Uebergangszustand – oder auch vorkommenden
Falles, im Freien – entsprechen.
Mit dem einfachen Einhalten einer bestimmten Uebergangstemperatur ist indessen nur
wenig gewonnen, wenn man nicht zugleich dafür sorgt, dass die Luft bei dieser
Uebergangstemperatur auch stets den gleichen, d. i. den höchsten dabei sich von
selbst ergebenden Sättigungsgrad annimmt, indem man ihr jeweils den ihr hierzu etwa
fehlenden Wasserbetrag in geeigneter Weise zuführt; denn sonst unterliegt der
Feuchtigkeitsgrad in den zu lüftenden Räumen einer erheblichen Schwankung, zu deren
Vermeidung man in jedem zu lüftenden Raume selbst regulirbare Luftbefeuchter
anordnen müsste. Diese anzuordnen ist der Kosten wegen nicht besonders zu empfehlen,
weil man in einem Uebergangsraum, in welchem nur der höchste Sättigungsgrad erzeugt
werden soll, mit viel einfacheren, nur grober Regulirbarkeit bedürfenden
Luftbefeuchtern ausreicht, zu deren mehr oder weniger starker Bethätigung man nur
selten der Verstellung der Verschlussvorrichtungen durch eine einzige Person bedarf,
wogegen die directe Regulirung eines mittleren Sättigungsgrades in den zu lüftenden
Räumen selbst häufigerer Verstellung der einzelnen Regulirvorrichtungen bedarf.
In Wirklichkeit lässt sich – wie schon früher erwähnt – 80procentige Sättigung mit
einfachen Luftbefeuchtern nicht immer erzielen, wohl aber ist es mit solchen immer
möglich, in dem Uebergangsraume eine, je nach der Aussenluftfeuchtigkeit zwischen 70
und 80 Proc. schwankende Sättigung herbeizuführen.
Dementsprechend wäre dann also auch die Uebergangstemperatur zwischen den 70 und
80procentiger Sättigung im Uebergangszustand entsprechenden Temperaturgrenzen zu
reguliren, deren Bestimmung leicht möglich ist, wenn man in Fig. 24 auch die, 70procentiger Sättigung der Luft im Uebergangszustand
entsprechenden Ordinaten für 10, 20, 30, 40, 50, 60 und 70procentige
Raumluftsättigung einträgt. In der Figur sind diese Ordinaten durch Strichelung
besonders hervorgehoben. Nun ersieht man aber aus der gegenseitigen Lage der
Curvenschnittpunkte der, gleichen Raumluft-Sättigungsgraden entsprechenden
gestrichelten und strichpunktirten Ordinaten, dass die niedrigere
Uebergangstemperatur, welche die 80procentige Uebergangsfeuchtigkeit erfordert, von
der bei 70procentiger Uebergangsfeuchtigkeit erforderlichen höheren
Uebergangstemperatur nur um 2 bis 2,5° C. verschieden ist.
Eine so geringe Temperaturverschiedenheit bedingt, dass man entweder den
Temperaturgrad im Uebergangsraume jeweils dem hier vorhandenen Sättigungsgrade
möglichst genau anpasse, oder aber; dass man von
einer jeweiligen Aenderung der Temperatur vollständig Abstand nehme und ein für
allemal einen mittleren Temperaturgrad im Uebergangsraume einhalte, welcher zwischen
dem bei 70procentiger und dem bei 80procentiger Uebergangsfeuchtigkeit
erforderlichen in der Mitte liegt. In der That erscheint diese letztere Einrichtung
als die zweckmässigere, da die Schwankung, welche in diesem Falle der Sättigungsgrad
in den gelüfteten Räumen erleiden kann – nach den Angaben der Fig. 24 – niemals mehr als 4 Sättigungsprocente
beträgt und deshalb bei geeigneter Wahl des mittleren Raumluft-Sättigungsgrades
völlig belanglos ist.
Es kann nach den vorstehenden Ausführungen keinem Zweifel unterliegen, dass die
zweckmässigste Art, die Frischluft vor ihrer Einführung in einen zu lüftenden Raum
abzukühlen, in der Anwendung von Wasserverdunstung besteht, durch welche mit der
Abkühlung zugleich auch die zur Constanterhaltung der Raumluft nöthige
Uebergangsfeuchtigkeit der Frischluft gewonnen und diese dabei ausserdem auch noch
in wirksamster Weise vor ihrer Einströmung in die zu lüftenden Räume von ihrer
Staubbeimischung befreit werden kann.
Demgemäss können in der Regel die unter IV. angegebenen wasserverdunstenden
Entstäubungsvorrichtungen bei geeigneter Dimensionirung auch zur Erzeugung
bestimmter Uebergangszustände der Frischluft mit Vortheil verwendet werden.
Zu b) Das Verfahren, die Frischluft durch Verdichten
derselben unter Druck bei gleichzeitiger Abkühlung in einen Uebergangszustand zu
versetzen, der einen erwünschten Raumluft-Sättigungsgrad stetig sichert, ergibt sich
mitunter bei Drucklüftung als zweckmässig, wiewohl es im Allgemeinen
empfehlenswerther ist, die Luft vor ihrer Pressung in
einen derartigen Uebergangszustand zu versetzen und bei der nachherigen Pressung ein
Abkühlen nicht vorzunehmen, in welchem Falle dann die Pressung keinen Einfluss mehr
auf den Raumluft-Sättigungsgrad hat, weil sich dabei ihre Temperatur gleichzeitig
erhöht.
Welche Wirkung die Pressung bei gleichzeitiger Abkühlung für den Sättigungszustand
der Luft hat, darüber gibt – wenn man die Abkühlung nur soweit vollzieht, dass die
Lufttemperatur alsbald nach der Pressung die gleiche ist wie vorher – das Mariott'sche Gesetz volle Klarheit. Denn ist p1 die atmosphärische
und pu die
maschinell erzeugte Pressung und besitzt die in Frage kommende Luftmenge vor der
Pressung das Volumen r1
und demnächst nach derselben das Volumen vu, so hat man
nach dem Mariott'schen Gesetz
\frac{p_1}{p_u}=\frac{v_u}{v_1}.
Versteht man nun unter ϑu diejenige Temperatur, bei deren Annahme
das Luftvolumen v1
ebenfalls in das Volumen vu übergehen würde, und unter t1 die durch Abkühlen
constant zu erhaltende Temperatur (d.h. die Temperatur des Luftvolumens vu, so ist nach dem Gay-Lussac'schen Gesetz
\frac{v_u}{v_1}=\frac{1+0,00367\,\vartheta_n}{1+0,00367\,t_1}
und somit:
\vartheta_u=273\,\left[\frac{p_1}{p_u}\,(1+0,00367\,t_1)-1\right].
Wenn demnach beispielsweise pu = 1,01 . p1 und t1 = 15° C., so findet man ϑu
= 12,1° C. als diejenige Temperatur, welche die Luft in
denselben Zustand versetzen würde, wie die Erhöhung der Pressung von p1 auf pu. Ist pu = 1,1 p1, so findet man für t1 = 15° C. den Werth ϑu = 0°. Man erkennt somit, dass
man durch Verdichten der Luft unter Druck ebenfalls leicht einen die erwünschte
Raumluftfeuchtigkeit sichernden Uebergangszustand der Frischluft herbeiführen kann,
wenn man dafür sorgt, dass die Lufttemperatur durch die Pressung nicht geändert und
der Luft zugleich Wasserdunst in dem Maasse zugeführt wird, dass sie dabei stets
soweit als möglich gesättigt wird.