Titel: | Zur Technologie des Glases. |
Fundstelle: | Band 289, Jahrgang 1893, S. 254 |
Download: | XML |
Zur Technologie des Glases.
(Vorhergehender Bericht 1890 278 311 und 370)
Mit Abbildungen.
Zur Technologie des Glases.
Der vorliegende Bericht schliesst sich an den letzten über den gleichen Gegenstand im
Bd. 278 dieses Journals an und behandelt hauptsächlich Untersuchungen und
Neuerungen, welche in den Jahren 1891 und 1892 bekannt gegeben wurden.
Besondere Aufmerksamkeit wurde in den letzten Jahren dem Studium der physikalischen
Eigenschaften des Glases, unter Berücksichtigung der chemischen Zusammensetzung
geschenkt, und dem Bestreben, die Abhängigkeit der ersteren von letzterer zu
erforschen, sind schon einige schöne Erfolge auf rein technischem Gebiete zu
verdanken. Es ist hier das glastechnische Laboratorium zu Jena an erster Stelle zu
nennen, das nicht nur anregend für derartige Untersuchungen gewirkt hat, sondern
auch den Forschern in bereitwilligster Weise seine in vorzüglicher Qualität
hergestellten Gläser zur Verfügung stellte.
An der Spitze dieser Arbeiten möge eine Untersuchung über die specifische Wärme
verschieden zusammengesetzter Gläser von Winkelmann
Platz finden, die, erst kürzlich veröffentlicht, hauptsächlich theoretisches
Interesse bietet. Die Zahlenangaben dieses Forschers ermöglichen es, aus der Analyse
von Gläsern bestimmter Zusammensetzung die specifische Wärme derselben zu berechnen.
Besondere Beachtung der technischen Kreise verdienen zwei Publicationen von O. Schott über die Temperaturen, bei welchen die
Spannungen im Glase ausgelöst werden, und über die Ausdehnungscoëfficienten der
Gläser. Beide Arbeiten sind von unmittelbarem Nutzen für die Technik geworden:
erstere für die Thermometrie, indem sie ermöglichte, Quecksilberthermometer bis 500°
C. und solche mit besonders geringer thermischer Nachwirkung zu construiren,
letztere für die verschiedensten Zweige der Technik, indem sie zur Erfindung des
Verbundglases, eines gegen Temperaturschwankungen, mechanische und chemische
Einflüsse besonders widerstandsfähigen Glases, geführt hat, das für
Wasserstandsröhren, für Apparate in chemischen Laboratorien u.a.m. Verwendung finden
wird.
Auch das Studium der Einwirkung von Wasser und anderen Flüssigkeiten auf die
Glasoberfläche ist in den zwei letzten Jahren mit besonderem Eifer betrieben worden
und die Arbeiten von Kohlrausch, R. Weber, Mylius,
Förster u.a. geben ein klares Bild über die Widerstandsfähigkeit des Glases
gegen den Eingriff chemischer Agentien.
Eine Reihe von Mittheilungen aus der Praxis sollen nicht unerwähnt bleiben, die
manchmal interessante Neuerungen berühren, häufig genug aber Bekanntes wiederholen.
Auf dem Gebiete der Glasfärbungen ist als neuer Farbstoff für rothes Glas das Selen
aufgetaucht und mit gutem Erfolge eingeführt worden.
Fassen wir endlich die stattliche Zahl der Patente ins Auge, so fällt vor allem eine
nicht unbedeutende Anzahl von Erfindungen neuer Maschinen zur Herstellung von
Flaschen und Hohlglas auf; es ist abzuwarten, ob diese Neuerungen in der Praxis sich
bewähren werden.
Schliesslich sei noch der Sandblasmaschine gedacht, deren neuere Construction durch
Einführung von Sandschlamm es ermöglicht, Hohlglas bis zu einem beliebigen Grad von
Feinheit des Kornes zu mattiren. Eine andere erfolgreiche Erfindung der Gesellschaft
Tilghman betrifft eine Vorrichtung zum Mattiren von
Tafelglas.
Physikalische Eigenschaften.
Ueber die specifische Wärme verschieden zusammengesetzter
Gläser von A. Winkelmann. (Annalen der Physik und Chemie, 1893 N. F. Bd. 49 S.
401.)
Eine systematische Untersuchung der specifischen Wärmen von Gläsern verschiedener
Zusammensetzung ist bisher noch nicht durchgeführt worden. Verfasser benutzte bei
seiner Untersuchung Gläser aus dem glastechnischen Laboratorium zu Jena; die
angewendete Methode war die Regnault'sche.
Die chemische Zusammensetzung der Gläser findet sich in der nachstehenden Tabelle I,
die beobachtete und berechnete specifische Wärme der Gläser dagegen in Tabelle II.
Die Art der Berechnung soll weiter unten noch besprochen werden.
Tabelle I.
LaufendeNr.
Fabrik-Nr.
Chemische Zusammensetzung
SiO2
B2O3
ZnO
PbO
MgO
Al2O3
As2O5
BaO
Na2O
K2O
Li2O
CaO
P2O5
1
S. 185
–
71,8
–
–
–
22,4
–
–
–
–
5,8
–
–
2
S. 205
–
69,1
–
–
–
18,0
0,2
4,7
8,0
–
–
–
–
3
172III
64,4
12,0
–
–
11,0
4,5
–
–
8,0
–
–
–
–
4
164III
55,0
–
–
–
–
17,0
–
–
14,0
14,0
–
–
–
5
802
71,0
14,0
–
–
–
5,0
–
–
10,0
–
–
–
–
6
16III 1
67,3
2,0
7,0
–
–
2,5
–
–
14,0
–
–
7,0
–
7
165III
73,8
–
5,0
–
–
3,5
–
–
10,5
–
–
7,0
–
8
1419
67,9
–
5,8
8,1
–
1,0
0,3
–
16,8
–
–
–
–
9
S. 201
–
3,0
–
–
–
10,0
0,5
–
–
12,0
–
–
70,5
10
290
58,7
–
–
–
–
–
0,3
–
–
33,0
–
8,0
–
11
665
–
41,0
59,0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
–
12
121III
51,3
14,0
5,0
–
–
4,5
0,2
25,0
–
–
–
–
–
13
S. 206
–
3,0
–
–
–
8,0
1,5
28,0
–
–
–
–
59,4
14
S. 95
–
3,0
–
–
–
1,5
1,5
3,8
–
–
–
–
56,0
15
1492
34,2
10,2
7,8
–
–
5,0
0,7
42,1
–
–
–
–
–
16
S. 120
–
42,8
–
52,0
–
5,0
0,2
–
–
–
–
–
–
17
O. 331
45,22
–
–
46,0
–
–
0,2
–
1,0
7,5
–
–
–
18
S. 163
22,0
–
–
78,0
–
–
–
–
–
–
–
–
–
1 Gewöhnliches
Thermometerglas.
Tabelle II.
Nr.
Specifische Wärme
beobachtet
berechnetKopp
Beobachtung– Berechnungin Proc.
1
0,2318
0,2652
– 14,4
2
0,2182
0,2406
– 10,3
3
0,2086
0,2180
– 4,5
4
0,2044
0,2122
– 3,8
5
0,2038
0,2139
– 5,0
6
0,1988
0,2038
– 2,5
7
0,1958
0,2020
– 3,2
8
0,1907
0,1935
– 1,5
9
0,1901
0,2169
– 14,1
10
0,1887
0,1898
– 0,6
11
0,1664
0,1776
– 8,1
12
0,1617
0,1704
– 5,1
13
0,1589
0,1766
– 11,0
14
0,1464
0,1603
– 9,5
15
0,1398
0,1442
– 3,2
16
0,1359
0,1431
– 5,3
17
0,1257
0,1272
– 1,2
18
0,08174
0,07969
+ 2,5
Die specifischen Wärmen der Gläser schwanken demnach zwischen weiten Grenzen von
0,2318 bis 0,0817, und zwar haben, wie zu erwarten war, jene Gläser, deren
Bestandtheilen die kleineren Atomgewichte zukommen, die grössere specifische Wärme
und umgekehrt.
Der Berechnung der specifischen Wärme (in der zweiten Spalte der Tabelle) liegt das
Wöstyn'sche Gesetz zu Grunde:
C=\frac{n_1\,a_1\,c_1+n_2\,a_2\,c_2+n_3\,a_3\,c_3+.\ .\
.}{n_1\,a_1+n_2\,a_2+n_3\,a_3+.\ .\ .}
worin
C
die gesuchte specifische Wärme der Verbindung,
c
1
c
2
die specifische Wärme der Elemente,
a
1
a
2
die Atomgewichte der Elemente,
n
1
n
2
die Zahl der einzelnen Atome, die in der Ver-bindung enthalten
sind,
bedeuten.
Unter Anwendung der Kopp'schen Atom wärmen erhält man
aus obiger Formel die folgenden specifischen Wärmen für die Bestandtheile der
Gläser:
Specifische Wärme
ZnO
0,128
B2O3
0,249
Al2O3
0,241
SiO2
0,197
Specifische Wärme
As2O5
0,125
PbO
0,0466
BaO
0,0680
Na2O
0,2709
K2O
0,1787
CaO
0,1860
P2O5
0,2169
Durch Einführung dieser Werthe in die Formel
C=\frac{p_1\,k_1+p_2\,k_2\+p_3\,k_3+.\ .\ .}{p_1+p_2+p_3+.\ .\ .}
worin
k
1
k
2
die specifischen Wärmen der Bestandtheile,
p
1
p
2
die Gewichtsmengen dieser Bestandtheile indem betreffenden
Glase
bedeuten, erhält man die in Tabelle II „berechnet Kopp“ angeführten Werthe.
Führt man statt der berechneten Atom wärmen, soweit dies
möglich ist, die beobachteten ein, so erhält man viel
weitergehende Uebereinstimmung.
Verfasser hat nun unter Anwendung der von Wüllner
berechneten Atomwärme des Sauerstoffes in starren Verbindungen die specifischen
Wärmen für die Verbindungen BaO, Mn2O3, Na2O, K2O, Li2O, CaO und
P2O5 aus den
spec. Wärmen der Chloride und anderer starrer Verbindungen berechnet und die Werthe
mit den schon bekannten in folgender Tabelle zusammengestellt:
Specifische Wärme
ZnO
0,1248
Al2O3
0,2074
SiO2
0,1913
As2O5
0,1276
PbO
0,0512
MgO
0,2439
BaO
0,0673
Mn2O3
0,1661
Na2O
0,2674
K2O
0,1860
Si2O
0,4597
CaO
0,1903
P2O5
0,1902
Nimmt man nun für die Borsäure den mittleren Werth 0,2272, welcher sich aus den
specifischen Wärmen ihrer Verbindungen ergibt, an, so erhält man bei Anwendung der
obigen Zahlen die unter c' in Tabelle III angeführte
berechnete specifische Wärme der Gläser:
Tabelle III.
Nr.
Specifische Wärme
Differenzc
– c'in Proc.
SpecifischesGewichts
Products.c
beobachtetc
berechnetc'
1
0,2318
0,2415
– 4,2
2,23
0,51
2
0,2182
0,2192
– 0,5
2,24
0,48
3
0,2086
0,2080
+ 0,3
2,42
0,50
4
0,2044
0,2040
+ 0,2
2,48
0,50
5
0,2038
0,2049
– 0,5
2,37
0,48
6
0,1988
0,1983
+ 0,3
2,58
0,51
7
0,1958
0,1964
– 0,3
2,48
0,48
8
0,1907
0,1888
+ 1,0
2,63
0,50
9
0,1901
0,1944
– 2,3
2,59
0,49
10
0,1878
0,1893
– 0,3
2,58
0,47
11
0,1644
0,1668
– 1,5
3,52
0,57
12
0,1617
0,1626
– 0,6
2,80
0,46
13
0,1589
0,1573
+ 0,9
3,07
0,49
14
0,1464
0,1439
+ 1,0
3,23
0,47
15
0,1398
0,1379
+ 1,4
3,54
0,49
16
0,1359
0,1344
+ 1,1
3,69
0,50
17
0,1257
0,1272
– 1,2
3,58
0,45
18
0,08174
0,08201
– 0,3
5,83
0,47
Wenn man von dem Werthe Nr. 1 absieht, da wegen des Lithiumgehaltes die chemische
Zusammensetzung nicht dem oben gegebenen Werthe entspricht, so zeigt die Durchsicht
der Tabelle III, dass die specifische Wärme der untersuchten Gläser sich aus
derjenigen der Bestandtheile berechnen lässt mit einer Genauigkeit von rund 1 Proc.
– Das specifische Gewicht wächst im Allgemeinen mit abnehmender specifischer
Wärme.
Die folgenden Werthe lassen erkennen, dass ein einfacher Zusammenhang der
specifischen Wärme und der thermischen Leitungsfähigkeit (Beobachtungen von Paalhorn) nicht besteht:
Tabelle IV.
Nr.
Thermische Leitfähigkeit
SpecifischeWärmec
SpecifischesGewichts
Productc.s
bezogenauf cmg.s
relativ
18
0,00108
1,00
0,0817
5,83
0,47
9
0,00141
1,30
0,1901
2,58
0,49
17
0,00143
1,32
0,1272
3,57
0,45
2
0,00144
1,33
0,2182
2,24
0,49
5
0,00227
2,09
0,2038
2,37
0,48
Ueber die physikalischen Eigenschaften von Gläsern und
über ein neues Glas für die Thermometrie hat O. Schott in Jena eine interessante Abhandlung in der
Zeitschrift für Instrumentenkunde, 1891 S. 331,
veröffentlicht, der sich eine zweite Mittheilung in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses, 1892 S.
161, über die Ausdehnung von Gläsern und über
Verbundglas eng anschliesst. Verfasser bestimmt zunächst die Temperaturen,
bei welchen eine dauernde Verschiebung der kleinsten Theilchen des Glases noch
möglich ist, bei welchen also der erste Beginn des Erweichens zu constatiren ist, in
folgender Weise:
An der Luft erkaltete Glasstäbe wurden in Cylinder von 10 bis 15 mm Durchmesser und
20 bis 40 mm Länge geschnitten und an den Enden plan geschliffen und polirt. Solche
Stäbe zeigen in der Längsdurchsicht, im polarisirten Lichte betrachtet, die
Erscheinungen, welche auch den einachsigen Krystallen eigenthümlich sind: ein
schwarzes Kreuz mit farbigen Ringen, deren Anzahl von der Intensität der Spannung im
Glase abhängig ist. Werden die Stäbe bis zum ersten Erweichen erhitzt, so gleichen
sich die Spannungen aus und die Zahl der Ringe vermindert sich. Die Stäbe von fünf
Gläsern, deren Zusammensetzung aus der später folgenden Tabelle ersichtlich
sein wird, wurden in den Thermostaten gebracht, der Temperaturen von 350 bis 477°
einzuhalten gestattet, und die Temperatur bestimmt, bei welchen ein erstes Erweichen
der Gläser aus der Verminderung der Zahl der Ringe constatirt werden kann.
Es ergaben sich
1) für Krön 682
400
bis
410° C.
2) für Flint 672
350
„
360° C.
3) für Borosilicat Krön 792
400
„
410° C.
4) für Jen. Norm.-Therra.-Glas
400
„
410° C.
5) für Borosilicat-Therm.-Gl. 59III
430
„
440° C.
Die Zeitdauer der Einwirkung betrug 20 bis 24 Stunden. Dieses erste Erweichen ist
nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen Erweichen des Glases, dem Punkte, bei
welchem die Plasticität der Gläser anfängt, und bei welchem Glas sich biegen und
aufblähen lässt. Der Beginn der Plasticität des Glases liegt viel höher, wie aus den
folgenden Versuchen von Schott hervorgeht. Aus dem
Glase 59III wurden Thermometer angefertigt mit
einer Theilung von 0 bis 500° C; oberhalb der Theilung befand sich eine Erweiterung,
die mit comprimirtem Stickstoff von 10 at Druck gefüllt wurde. Zwei Thermometer
dieser Art wurden 2 bis 3 Tage auf 470 bis 477° C. gehalten, dann 9 Tage lang auf
einer Temperatur von 360° C. und dann abgekühlt. Trotz des bei hoher Temperatur
herrschenden Druckes von 27 bis 28 at war im Quecksilbergefäss keine Erweiterung
eingetreten, sondern eine durch Ausgleich der Spannungen verursachte Verkleinerung,
kenntlich am Ansteigen des Quecksilbers um 13 bis 15° C. Die Kräfte, welche zur
Ausgleichung der inneren Spannung des Glases zur Wirkung kommen, werden demnach vom
herrschenden Druck nicht oder kaum beeinflusst, die Plasticität ist auch bei 470°
nicht nachweisbar. Durch Vergleichung mit einem Joly'schen Gasthermometer ergab sich für das Glas 59III, dass bei etwa 630° unter dem herrschenden
Druck ein schwaches Aufblähen des Quecksilbergefässes eintrat (etwa um 1/10 des
ursprünglichen Volumens). Oberhalb der ersten
Erweichungsgrenze nimmt demnach die Plasticität nur in sehr geringem Maasse zu und
die Versuche machen es wahrscheinlich, dass man hochgradige Thermometer weit über
diese Grenze, vielleicht bis 550° C. wird benutzen können.
Verfasser erwähnt nun, dass das früher für Thermometer benutzte borhaltige Glas 18III bei der Verarbeitung häufig entglast, dass
aber im glastechnischen Laboratorium zu Jena andere Gläser hergestellt werden,
welche die Vorzüge des Glases 18III besitzen, ohne
oben erwähnten Uebelstand zu zeigen.
Aus Glas 59III wurden die Thermometer Nr. 2503
(fein gekühlt) und 2502 (nicht fein gekühlt) angefertigt. Ein 12stündiges Erwärmen
auf 100° C. mit nachherigem Abfall bis 32° C. hat den Eispunkt bei dem gekühlten
Thermometer Nr. 2503 um 0,02, bei dem nicht gekühlten um 0,06° C. gehoben. Die
Angaben des gekühlten Thermometers können demnach als unveränderlich betrachtet
werden. Die Vergleichung mit dem Luftthermometer hat folgende Abweichung
ergeben:
bei
0
0,00° C.
10
– 0,01° C.
20
– 0,02° C.
30
– 0,01° C.
40
– 0,01° C.
50
+ 0,02° C.
Ein Thermometer aus Glas 63III Nr. 2513 (nicht
gekühlt) ergab eine Depression des Eispunktes von 0,05° C. Die Vergleichung mit dem
Luftthermometer ergab Abweichungen von 0,06 bis 0,12° C, also bedeutend stärkere als
die des Glases 59III. Die Beträge der Depression
bestätigen die Vermuthung des Verfassers, dass bei Vorhandensein nur eines Alkalis im Thermometerglas der
Depressionsbetrag im Wesentlichen abhängig ist von der Grösse des
Ausdehnungscoëfficienten, dass demnach jenes Glas für Thermometer als das günstigste
sich erweist, dessen Ausdehnung am geringsten ist. Der von Prof. Winkelmann bestimmte cubische Ausdehnungscoëfficient
beider Gläser beträgt für die Temperatur 0 bis 100° C.:
Glas 63III von der
ZusammensetzungNa2O 18 Proc., CaO
8,0 Proc., As2O50,3 Proc., Mn2O3 0,1 Proc., SiO273,1 Proc.
0,0000289bis0,0000290
Glas 59III
0,0000170
(Vgl. über Thermometerglas auch R. Weber 1889 273 37 und Wiebe 1889 273 39.)
Der Pariser Thermometerfabrikant Baudin vermeidet die
Nullpunktscorrection für hochgradige Thermometer durch 8 Tage langes Erhitzen
derselben in siedendem Schwefel. Schott liess ein
kurzes Rohr aus Glas 59III mit unzähligen
Spannungsringen 4 Tage lang in siedendem Schwefel liegen und fand die Zahl der Ringe
im polarisirten Licht auf drei reducirt. Die Methode gewährt demnach ein einfaches
Mittel für Thermometerfabrikanten, die Spannungen im Glase auszulösen, das gute
Dienste leisten dürfte, wenn bessere Einrichtungen fehlen.
Bestimmung der Ausdehnungscoëfficienten von Gläsern. Die
meisten Angaben über die Ausdehnungscoëfficienten von Glas in der Literatur beziehen
sich auf Glas, dessen chemische Zusammensetzung nicht bekannt ist, haben daher
bedingten Werth. Nur Regnault theilt in seiner in den
Memoires de l'Académie, Bd. 21 S. 205 ff.,
veröffentlichten Abhandlung die Ausdehnung und chemische Zusammensetzung von 11
Gläsern mit. Ueber den Einfluss der einzelnen Metalloxyde auf die Ausdehnung kann
man aus Regnault's Zahlen allerdings nicht viel
ersehen. Eine Erkenntniss auf diesem Gebiete konnte erst gewonnen werden durch
systematische Untersuchung einer grossen Anzahl von Glassorten von bekannter
Zusammensetzung, wie sie nur das Jenenser Laboratorium zur Verfügung hat. Die
Bestimmung der Ausdehnungscoëfficienten wurde ausgeführt von den Herren Prof. Winkelmann, Dr. Straubel
und Dr. Pulfrich mit dem Gefässdilatometer und nach der
von Abbe verbesserten Fizeau'schen Methode. (Wiedem. Ann., 1889 Bd.
38 S. 453.)
Die Resultate der Tabelle, welche wir ihrer Wichtigkeit wegen auf S. 258, 259 u. 260
vollständig wiedergeben wollen, sind geordnet nach der Grösse der
Ausdehnungscoëfficienten.
Als wichtigstes und sofort in die Augen springendes Resultat der vorerwähnten Tabelle
sei zunächst der hervorragende Einfluss der Alkalien auf die
Ausdehnungscoëfficienten der Gläser hervorgehoben. Durch Vermehrung der Alkalien im
Glase kann der Ausdehnungscoëfficient desselben derart gesteigert werden, dass er
jene von Nickel und Eisen beinahe erreicht. Wir ersehen aus der Tabelle ferner, dass
die Ausdehnung der verschiedenen Gläser durch gleiche Temperaturerhöhung zwischen
viel weiteren Grenzen schwankt als man bisher geglaubt hat, dass der
Ausdehnungscoëfficient des Glases 35 den des Glases 1 um das Dreifache
übersteigt.
Aus der Tabelle ist weiter ersichtlich, dass in den gewöhnlichen
Kieselsäuregläsern die Metalloxyde, Kalk, Baryt, Zinkoxyd, Thonerde und
Bleioxyd keinen erheblichen Einfluss auf die Ausdehnung auszuüben vermögen. Bei den
Gläsern O. 154 (11) und O. 165 (14) zeigt sich, dass eine Steigung des Bleigehaltes
von 33 auf 69 Proc., also reiche Verdoppelung, nur eine geringe
Ausdehnungssteigerung zu Stande bringt. Das Mehr an PbO um 36 Proc. wird annähernd
compensirt durch eine Alkaliverminderung um 8,5 Proc.
Ebenso bemerkt man bei Vergleich der Gläser O. 479 (10), O. 154 (11), O. 885 (12),
dass Baryt und Zinkoxyd nicht mehr die Ausdehnung beeinflussen. als ähnliche Mengen
Bleioxyd, wenn der Alkaligehalt grosse Unterschiede nicht aufweist.
Phosphatgläser kommen den gewöhnlichen Silicatgläsern in Bezug auf Ausdehnung
ziemlich nahe, dagegen zeichnen sich Borate durch niedrige Ausdehnungscoëfficienten
aus.
Das kieselsäurefreie Zinkborat (1) besitzt einen Ausdehnungscoëfficienten von
0,0000109, also den kleinsten, der überhaupt an Gläsern beobachtet worden ist.
Wir sind Herrn Schott ferner zu Dank verpflichtet für
die Angabe der chemischen Zusammensetzung einer Reihe von Gläsern, die vom rein
technologischen Standpunkte betrachtet, das grösste Interesse zu erwecken vermögen.
Gleich in den ersten Reihen der Tabelle findet sich ein Glas, das frei von Alkali
vor der Pfeife sich verarbeiten lässt und das sich neben äusserst geringer
Ausdehnung durch andere gute Eigenschaften auszuzeichnen scheint. Bisher war man der
Ansicht, dass ein gutes Glas neben Kieselsäure und einem zwei- oder dreiwerthigen
Metalloxyde immer das Oxyd eines einwerthigen Metalles (eines Alkalimetalles oder
des einwerthigen Thalliums) enthalten müsse. Diese Ansicht erscheint demnach
widerlegt. Das Glas 121III (Nr. 2) ist frei von
Alkalien und lässt sich nicht nur an der Pfeife, sondern auch vor der Lampe
verarbeiten; es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Alkalisilicate, deren
Anwesenheit dem Glase Leichtschmelzbarkeit und gute Beschaffenheit ertheilt, hier
durch die Borsäure bezieh. durch Borate ersetzt werden.
Ich habe der Uebersichtlichkeit halber aus der chemischen Zusammensetzung die
empirische Formel berechnet, welche sich ergibt, wenn man die Oxyde auf 6 Mol.
Kieselsäure bezieht. Die Formel lautet dann 6SiO2,
0,44ZnO, 1,17BaO, 0,33Al2O3, 1,41B2O3. Das Glas könnte demnach etwa als Lösung eines Thonerdebarytsilicates in
einem Barytzinkborat angesehen werden. Das neue Glas eröffnet die Aussicht
nützlicher Dienste für manche chemische und physikalische Anwendungen des Glases,
bei denen die Ausschliessung von Alkalien von Werth ist.
Interessant sind auch die Gläser S. 57 (Nr. 24) – schwerstes Bleisilicatglas – mit 82
Proc. PbO und 20 Proc. SiO2, das den
Brechungsexponenten D = 1,962 aufweist, und das
Thonerdeglas 102III (Nr. 35) mit 26 Proc. Na2O, 12 Proc. Al2O3 und 57 Proc. SiO2.Bei den
Zahlenangaben über beide Gläser müssen übrigens Druckfehler unterlaufen
sein, denn die Summe der Bestandtheile ist nicht = 100.
Durch geeignete Combination von zwei sich umschliessenden Gläsern, von denen das
äussere den geringeren Ausdehnungscoëfficienten hat, das innere (Schwimmgefäss)
einen sehr grossen, wird es möglich sein, ein Volumen von der Temperatur unabhängig
zu machen.
Cubische Ausdehnungscoëficienten von Gläsern.
Textabbildung Bd. 289, S. 258
Laufende Nr.; Fabr.-Nr.; Benennung;
Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung; Untersuchtes
Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.; Bemerkungen;
Ausdehnungsbestimmung von; Zinkborat (alkalifrei); Abbe-Fizeau; Fein gekühlt im
Thermoregulator; Im Platintiegel geschmolzen. Nicht zu verarbeiten an der
Pfeife; Pulfrich; Barytborosilicatglas (alkalifrei); desgl.; Stark gespannt, an
der Luft abgekühlt; An der Pfeife und auch an der Lampe zu verarbeiten;
Borosilicat Leichtflint; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Brechungsexponent für
D = 1,545; 428 Nr. d. Vers.-Schmelzung; Bleiborutglas nD = 1,573; Abbe-Fizeau
Dilatometer; Weidmann; 458 Nr. d. Vers.-Schmelzung; Aluminiumboratglas; Fein
gekühlt; Borosilicat-Thermometerglas; Gefäss-Dilatometer; In freier Luft
abgekühlt; Vor der Lampe zu verarbeiten; Winkelmann; Feinkühlung im
Thermoregulator; Es wurde dasselbe Gefäss benutzt wie vorher; Leichtes
Boratcrown; Brechungsexponent für D = 1,507; Gewöhnl. Silicatflintglas;
Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Brechungsexponent für D = 1,613;
Brechungsexponent für D = 1,612; Leichtes Silicatflint; Brechungsexponent für D
= 1,571; Schweres Bariumsilicatcrown; Brechungsexponent für D = 1,572;
Borosilicatcrown ähnl. 0,144; Brechungsexponent für D = 1,513; Schweres
Silicatflint; Brechungsexponent für D = 1,754; Normal-Thermometerglas;
Brechungsexponent für D = 1,527
Textabbildung Bd. 289, S. 259
Laufende Nr.; Fabr.-Nr.; Benennung;
Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung; Untersuchtes
Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.; Bemerkungen;
Ausdehnungsbestimmung von; Silicatcrownglas; Abbe-Fizeau; Gewöhnliche Kühlung im
Kühlofen; Brechungsexponent für D = 1,517; Pulfrich; Mittleres Phosphatcrown;
desgl.; Feinkühlung; Brechungsexponent für D = 1,555; Barytleichtflint;
Brechungsexponent für D = 1,572; Crown mit hoher Dispersion; Brechungsexponent
für D = 1,522; Gewöhnliches Silicatcrown; Feinkühlung im Thermoregulator;
Brechungsexponent für D = 1,511; Stark gespannt; Die Abkühlung geschah als
cylindr. Stab in freier Luft; Leichtes Phosphatcrown; Brechungsexponent für D =
1,517; Schwertes Bleisilicatglas; Brechungsexponent für D = 1,962; Weiches
Thüringer Glas; Vor der Lampe zu verarbeiten; Weidmann; Gefäss-Dilatometer; In
freier Luft gekühlt;Winkelmann; Silicatglas; Straubel; Diese Gläser sind zum
Theil hygroskopisch, daher zum praktischen Gebrauch nicht anwendbar
Textabbildung Bd. 289, S. 260Laufende Nr.; Fabr.-Nr.;
Benennung; Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung;
Untersuchtes Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.;
Bemerkungen; Ausdehnungsbestimmung von; Silicatglas; Gefäss-Dilatometer; In
freier Luft gekühlt; Straubel; desgl.; Pulfrich; Diese Gläser sind zum Theil
hygroskopisch, daher zum praktischen Gebrauch nicht anwendbar; Thonerdeglas;
Abbe-Fizeau; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Vor der Lampe zu verarbeiten;
Gewöhnliches Silicatcrown; Untersuchung der: Mitte; Stark gespannt;
Scheinbarer Ausdehnungscoëfficient; Zone von 15 mm Durchmesser; des Randes
von 20 mm (Cylinder-Durchm.)Die Beobachtungen ergaben ferner, dass Glas in gespanntem Zustande einen
höheren Ausdehnungscoëfficienten besitzt, als Glas in ungespanntem Zustande (fein
gekühltes Glas). Ein Cylinder aus gespanntem Glase mit planen Endflächen nimmt beim
Erwärmen auf 100° C. eine deutliche Concavität der Endflächen an, die nach dem
Abkühlen nicht vollständig wieder verschwindet (vgl. nebenstehende Fig. 1). Wird der veränderte Cylinder eben geschliffen
und abermals auf 100° C. erwärmt, so bleibt die Fläche unverändert, wohl aber krümmt
sie sich wieder bei nachherigem Erwärmen auf 200° C.
Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 1. Diese Erscheinungen stehen offenbar mit den Nullpunktsänderungen der
Quecksilberthermometer in Zusammenhang; da Glas 121III trotz starker Spannung oben geschildertes Verhalten nicht zeigt, beim
Erwärmen die Endflächen des Cylinders unverändert lässt, so spricht Schott die Vermuthung aus, dass Thermometer aus diesem
Glase selbst bei schneller Kühlung frei von säcularen Anstiegen sein werden.
Verbundglas. Ausgehend von den weiter unten zu
erörternden Betrachtungen und gestützt auf die Erfahrungen über die Ausdehnung der
Gläser gelang es Schott, durch doppelten Ueberfang
Glasgegenstände von besonders hoher Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturwechsel und
Verletzung der Oberfläche herzustellen. Das Verbundglas, wie Schott diese neue
Glascomposition nennt, ist eine Art Hartglas, aber nicht durch schnelles Erkalten,
sondern durch zweckmässige Verschmelzung von zwei oder drei Glasarten mit
bestimmtem Ausdehnungscoëfficienten gewonnen. Die Spannungszustände im Verbundglase
sind ähnliche wie im Hartglase; um klarzulegen, wie Verfasser dies erreicht, seien
die Skizzen über die Spannungszustände verschiedener Gläser und die Erläuterung der
Originalarbeit hier gekürzt wiedergegeben:
In nebenstehenden Figuren bedeuten die Pfeile, je nachdem sie sich suchen oder
fliehen, Druck- oder Zugspannungen.
Fig. 2 stellt den Zustand eines spannungsfreien
Glasstückes vor.
Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 2.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 3.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 4.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 5.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 6.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 7.Fig. 3 den Querschnitt eines an der Luft abgekühlten
Hohlkörpers. Die Aussenhaut ist schon kalt und erhärtet; wenn sich das Innere noch
in weichem Zustande befindet. Die nachfolgende Contraction der Innenschicht ist
grösser als die der äusseren; erstere wird sich in Dehnung, letztere in Compression
befinden. Das Glas wird aussen resistent, innen dagegen empfindlich gegen
Verletzungen sein.
Fig. 4 bringt den Spannungszustand zur Darstellung,
wie das plötzlich abgekühlte Hartglas ihn aufweist.
Fig. 5 und 6 zeigen den
vorübergehenden Zustand der Spannung, welchen ein sonst spannungsfreier Glaskörper
annimmt, wenn man ihn in kaltem Zustande in heisse Luft (Fig. 5) oder in heissem Zustande in kalte Luft bringt (Fig. 6); im ersteren Falle entsteht momentan
Druckspannung, im letzteren Zugspannung. Dies der Grund, warum kalte Luft Glas viel
leichter zum Springen bringt als heisse.
Um den Compressionszustand der äusseren Schicht des Hartglases und damit seine
Widerstandsfähigkeit zu erreichen, kann man sich statt des Abkühlens an der Luft
auch des Ueberfangens mit einem Glase von geringem Ausdehnungscoëfficienten
bedienen. Schott hat solche Gefässe hergestellt
(Verbundglas). Fig. 7 stellt ihren Spannungszustand
dar; praktisch tritt hier nur die Schwierigkeit auf, die äussere Schicht genügend
dünn zu erhalten.
Kochflaschen aus Verbundglas kann man, mit Anilin zum Kochen erhitzt, unbedenklich
mit Wasser anspritzen, Glasschalen können auf freier Bunsenflamme erhitzt werden,
ohne zu springen; die Lampencylinder gestatten, erhitzt, ein Besprengen mit kaltem
Wasser, ohne zertrümmert zu werden. Schott hat
Wasserstandsröhren aus Verbundglas hergestellt, die den weitgehendsten Anforderungen
Genüge leisten; man kann die Röhren, welche auf 200° C. erhitzt sind, tropfenweise
mit kaltem Wasser bespritzen, ohne ein Springen derselben befürchten zu müssen. Die
Röhren haben sich an Locomotiven bei 5monatlichem Betriebe bewährt.
Ueber die Ausdehnungscoëfficienten einiger Glassorten
von M. Thiessen und K.
Scheel (Zeitschrift für Instrumentenkünde,
1892 S. 293).
Die Ausdehnungscoëfficienten dreier in der Abtheilung I der Physikalisch-technischen
Reichsanstalt verwendeten Glassorten werden mit grosser Genauigkeit bestimmt.
(Fortsetzung folgt.)