Titel: | Einige bemerkenswerte Neuerungen auf der Ausstellung zu Mailand 1906. |
Autor: | Georg von Hanffstengel |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 2 |
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Einige bemerkenswerte Neuerungen auf der
Ausstellung zu Mailand 1906.
Von Georg von Hanffstengel,
Stuttgart.
Einige bemerkenswerte Neuerungen auf der Ausstellung zu Mailand
1906.
Die ursprüngliche Idee der Mailänder Ausstellung war, bei Gelegenheit der
Eröffnung des Simplontunnels, dieses verkehrstechnischen Wunders, einen Ueberblick
über die Entwicklung des Transportwesens von den primitivsten Formen bis zu den
modernsten Leistungen zu geben. Indessen hat man sich hierauf nicht beschränkt,
sondern alle möglichen Industriezweige zugelassen, die teilweise zum Verkehrswesen
nur in sehr entfernten Beziehungen stehen. Dieselben systematisch zu ordnen, scheint
ziemlich schwierig gewesen zu sein, wenigstens fanden sich zusammengehörige
Gegenstände durch die ganze Ausstellung verstreut. Der Maschineningenieur traf dabei
überwiegend bekanntes. Da Italien nicht zu den führenden Industrieländern gehört, so
nahmen die fremden Aussteller das Hauptinteresse in Anspruch. Ihre Darbietungen
beschränkten sich indessen naturgemäß auf solche Gegenstände, für die in Italien
eine Verkaufsmöglichkeit besteht, weshalb z.B. im Werkzeugmaschinenbau kaum eine
bemerkenswerte Sonderleistung, dagegen ziemlich viel gute Marktware zu sehen war.
Italienische und deutsche Fabriken, sowie Importeure amerikanischer Maschinen
nahmen hier den breitesten Raum ein.
Im folgenden sollen einige für den Maschinenbauer besonders interessante
Ausstellungsobjekte beschrieben werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 1
Fig. 1.Bekohlen von Schiffen auf See mittels Leue-Apparates.
Verlade- und Förderanlagen
für Kohle, die eigentlich in eine Transportausstellung hineingehörten, waren leider
wenig vertreten. Sehr hübsch waren die betriebsfähigen Modelle einer kombinierten
Seil- und Kettenbahnanlage, sowie einer Rangierseilbahn mit Schiebebühne, die von
der Firma C. W. Hasenclever, Düsseldorf, im
Hebezeugpavillon vorgeführt wurden. Ferner ist zu erwähnen ein Huntsches Becherwerk, sowie Teile von Drahtseilbahnen
von Ceretti & Tanfani,
Mailand. Nähere Besprechung verdient die von Georg
Leue, Berlin, konstruierte Vorrichtung zum Bekohlen von Schiffen auf See,
deren Modell in einem Anbau der Marinehalle im Betrieb zu sehen war.
Ueber die Bedeutung, welche derartigen Einrichtungen zukommt, hat bei Gelegenheit des
russisch-japanischen Krieges auch das größere Publikum einiges erfahren. Ihr Zweck ist,
Kriegsschiffe vollkommen unabhängig von Kohlenstationen zu machen, indem sie die
Möglichkeit schaffen, zu jeder Zeit aus einem mitgeführten Transportschiffe ohne
Fahrtunterbrechung Kohlen zu entnehmen. Wenn man von einem ziemlich phantastischen
Vorschlag absieht, der ermöglichen will, die Schiffe auch bei unruhigem Wetter in
geringem Abstande breitseit nebeneinander fahren zu lassen, haben alle Konstrukteure
bisher angenommen, daß das Transportschiff im Schlepptau des Kriegsschiffes fährt
und eine Drahtseilbahn die Kohle in Säcken von einem Mast zum andern fördert (vergl.
Fig. 1). Da aber infolge des Seeganges, wie sich
an dem wechselnden Durchhang der Schlepptrosse zeigt, stets Relativbewegungen
zwischen den Schiffen auftreten, so müssen besondere Maßnahmen getroffen werden, um
die Spannung der Förderseile konstant zu erhalten. Die hierfür zur Anwendung
kommende Ausgleichvorrichtung bildet den wichtigsten Punkt und das charakteristische
Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Konstruktionen.
Wie früher in dieser Zeitschrift beschriebenvergl. D.
p. J. 1904, S. 186. benutzt die Lidgerwood Mfg. Co. in New York eine Zweitrommelwinde mit Reibkupplungen,
die das Seil mit solcher Geschwindigkeit einzieht, daß es stets straff bleibt, auch
wenn die Schiffe sich nähern, während bei gleichbleibendem oder sich vergrößerndem
Abstande die Kupplung der geschleppten Trommel schleift. Außerdem kommt eine
Hilfsleine zur Anwendung, die durch einen im Wasser nachgezogenen Anker straff
gehalten wird. Diese Anordnung hat die Nachteile, daß die Winde eine sehr große tote
Arbeit zu leisten hat, die in Wärme umgesetzt wird, daß der Spannung der Ankerleine
wegen eine bestimmte geringste Fahrgeschwindigkeit notwendig ist, und daß kein
stetiger Lauf der Wagen stattfindet, vielmehr nur eine hin- und herwandernde
Laufkatze angewandt werden kann.
Textabbildung Bd. 322, S. 2
Fig. 2.Ausgleicher.
Leue bewirkt dagegen den Seilausgleich in der Weise, daß
er in den Lauf des Förderseiles eine Art von Flaschenzug einschaltet, dessen
eine Rollengruppe unter der Einwirkung eines Preßluftzylinders steht. Bei
Verringerung des Abstandes zwischen den Schiffen fährt der Kolben aus, bis die
richtige Spannung in den Seilen wieder hergestellt ist; im umgekehrten Fall wird der
Kolben durch die Seile hineingepreßt, wobei die Luft durch ein Ventil entweicht. Die
Seillänge, welche der Ausgleicher aufnehmen bezw. hergeben kann, muß der größten
möglichen Relativbewegung entsprechen. Gegen diese Konstruktion scheint nur der
weniger schwerwiegende Vorwurf zu erheben zu sein, daß im Betriebe das Seil über die
Rollen des 8- bis 12fachen Flaschenzuges laufen muß. Dieser Umstand beschleunigt die
Abnutzung und erhöht auch den Kraftverbrauch, jedoch nicht annähernd in dem Maße,
wie bei der Konstruktion von Lidgerwood.
Fig. 2 gibt eine Abbildung des in den
Kriegsschiffmast eingebauten Ausgleichers mit unterhalb angebrachtem
Antriebmechanismus. Das Seil bewegt sich in endlosem Laufe vom Mast des
Kriegsschiffes zu den Umkehrrollen des Kohlenschiffes und zum Ausgleicher und
Antrieb im Kriegsschiff zurück. Jeder Sack wird an einem Mitnehmer befestigt und
dieser, wie Fig. 3 zeigt, an eine Elevatorkette
gehängt, die ihn bis zum Seil hebt und hier selbsttätig freigibt, worauf er sich
nach Fig. 4 auf dem Seil festklemmt und so zum
Kriegsschiff mitgenommen wird. Hier löst sich der Haken, der Sack fällt auf eine
Rutschbahn aus Drahtgeflecht und gleitet so auf das Schiffsdeck hinunter. Die leeren
Säcke werden zusammengepackt und in derselben Weise zum Kohlenschiff
zurückbefördert.
Textabbildung Bd. 322, S. 2
Fig. 3.Gesamtansicht des Kohlenschiffmastes.
Textabbildung Bd. 322, S. 2
Fig. 4.Am Transportseil hängender Kohlensack.
Die Haken sind neuerdings umkonstruiert, so daß die Uebergabe zwischen Elevator und
Förderseil sich sicherer und wesentlich einfacher vollzieht, als in Fig. 3 angegeben.
Nach Beendigung des Kohlens kann von jedem Schiffe aus das Transportseil losgeworfen
werden. Dasselbe geschieht selbsttätig, sobald etwa die Schlepptrosse brechen
sollte.
Wie Herr Leue mitteilt, ist bei Versuchen in der
deutschen Marine die geforderte Leistung von 50 t/Std. während einiger Stunden
übertroffen worden.
Der Apparat wird auch für die Kohlenübernahme von schwer zugänglichen Küsten
empfohlen.
An Kranen und Aufzügen
waren von italienischen Firmen verschiedene Ausführungen aufgestellt, die indessen
keine Besonderheiten aufwiesen. Die Benrather
Maschinenfabrik und die Duisburger
Maschinenbauanstalt führten Modelle schwerer Werftkrane vor. Am
bemerkenswertesten war wohl ein vor dem Hebezeugpavillon aufgestellter Bockkran des
Grusonwerkes von 65 t Tragkraft, eine neue
Konstruktion, deren Eigentümlichkeit es ist, daß die beiden Ständer durch
hydraulische Zylinder ersetzt sind, die den Kranbalken tragen und, indem sie diesen
heben oder senken, zugleich der Last die Vertikalbewegung erteilen.
Textabbildung Bd. 322, S. 3
Fig. 5.Schiffshebewerk von Oelhafen & Löhle.
Im Anschluß an die Hebezeuge soll ein neues
Schiffshebewerk Besprechung finden, dessen in Fig. 5 abgebildetes Modell in der schweizerischen Abteilung der
Marinehalle im Betriebe vorgeführt wurde. Die Erfinder sind Oelhafen und Löhle in Zürich.
Um bei Schiffahrtskanälen größere Höhendifferenzen zu überwinden, gibt es, wenn
Schleusen nicht mehr ausreichen, zwei Möglichkeiten, nämlich entweder das Schiff
senkrecht zu heben oder es auf einer schiefen Ebene zu fördern. Letztere Methode
wird dann empfohlen, wenn die Hubhöhe 25 m übersteigt. Sie bietet größere Sicherheit
als die
senkrechte Hebung, doch sind die Kosten der Fundierung hoch und der Kraftverbrauch
infolge von Reibung bedeutend, da die ganze Last von Schiff und Trog sich auf Rollen
fortbewegt. Die Leistung ist bei größerer Hubhöhe beschränkt, da die
Geschwindigkeit der gewaltigen bewegten Massen nicht beliebig gesteigert werden
kann.
Textabbildung Bd. 322, S. 4
Schiffshebewerk von Oelhafen & Löhle.; Fig. 6. Schnitt durch die Mitte.;
Fig. 7. Schnitt durch die Aussenpfeiler.; Fig. 8. Grundriss.
Das System Oelhafen-Löhle vereinigt die Vorzüge beider
Methoden. Die Hauptlast erhält senkrechte Bewegung, aber gleichzeitig kommt eine
schiefe Rollbahn zur Anwendung, die indessen jetzt in Form einer Schraubenlinie auf
einem Zylinder aufgewickelt ist.
Fig. 6–8 zeigen die
Gesamtanordnung. Wie aus dem Grundriß ersichtlich, führt sich das Troggestell in
einem Gerüst, das aus vier Eckpfeilern und einem zylindrischen Mittelteil besteht,
welches jene verbindet. An den Querträgern N des
Gestelles greifen die über Leitrollen L geführten Seile
zahlreicher Gegengewichte G an, die sich außen an dem
Aufzuggerüst auf- und abbewegen. Durch einen Mittelzapfen ist mit dem Troggestell
eine Drehscheibe verbunden, um die außen in Form eines Schraubenganges zwei Schienen
R herumgelegt sind. Diese stützen sich oben und
unten gegen Rollen, die, ebenfalls einer Schraubenlinie folgend, in dem
zylindrischen Teile des Gerüstes verteilt sind. Sie bilden gewissermaßen die
Gewindegänge einer Mutter und die Drehscheibe ein Stück einer Schraube, die sich, in
Drehung versetzt, in dem Gerüst auf- oder niederschrauben muß und hierbei das mit
ihr verbundene Troggerüst mitnimmt.
Aus Fig. 9 und 10
sind die wichtigsten konstruktiven Einzelheiten zu ersehen. Die Tragrollen G sind auf Konsolen am Aufzuggerüst montiert, zwischen
welche die Querträger des Troggestelles hineinragen (vergl. Fig. 8). I Seine
seitliche Führung erhält der Trog zwischen den äußeren Pfeilern. Die Schraubengänge
im Zylinder müssen natürlich dort, wo der Trog hindurchtritt, unterbrochen werden,
doch bleibt ein genügender Bogen für eine gute Stützung der Drehscheibe.
Die Rollen haben, da das Gewicht der bewegten Teile vollständig ausgeglichen ist, nur
zufällige Ueberlasten aufzunehmen. Damit sie auch bei ungenauer Ausführung oder bei
ungleichmäßigem Setzen des Gerüstes alle ziemlich gleiche Belastung erhalten, sind
sie auf Federn
abgestützt, die durch Schrauben nachgezogen werden können. Falls infolge eines
Seilbruches irgend ein Rad eine unzulässige Belastung erfahren sollte, drücken sich
die Federn zusammen, der Block B setzt sich auf den
Kastenträger K und der Wagen kommt infolge der
vermehrten Reibung zur Ruhe, da die Steigung des Schraubenganges ziemlich gering
ist. Die Gegengewichte werden in solchen Fällen durch Fangvorrichtungen aufgehalten.
Zum Antrieb des Drehwagens dienen Elektromotoren, die in dem Wagen selbst
aufgehängt sind und mit Vorgelegen auf Ritzel arbeiten, welche in den am Troggestell
befestigten Zahnkranz Z eingreifen.
Textabbildung Bd. 322, S. 5
Fig. 9.Einzelteile von Drehwagen und Aufzuggerüst.
Textabbildung Bd. 322, S. 5
Fig. 10.Tragrolle.
Die Drehscheibe kann ober- oder unterhalb des Troges liegen. Den Zeichnungen ist die
erstere Anordnung zu Grunde gelegt, die geringere Gründungskosten, aber ein höheres
Gerüst verlangt. Die Drehscheibe muß hier, solange die Gegengewichte wirksam
sind, von dem Troggestell getragen werden und stützt sich daher auf dieses mittels
eines Rollenkranzes und Schiene V ab. Sollten die Seile
reißen, so würde der Trog am Drehwagen hängen.
Die Erfinder sind der Ansicht, daß ihr System für Höhenunterschiede bis zu 100 m
anwendbar ist. Mit wachsender Höhe vermehrt sich nur das Gewicht des feststehenden
Führungsgerüstes. Es ist auch die Möglichkeit ins Auge gefaßt worden, Tröge von sehr
großer Länge mit Hilfe mehrerer Drehwagen zu heben, die sich in getrennten,
hintereinanderstehenden Türmen befänden. In diesem Falle wäre nur für genau
gleichmäßige Bewegung aller Drehscheiben zu sorgen.
Der vorliegende Entwurf ist ein Projekt für ein Hebewerk bei Prerau, wo Schiffe
von 600 t um 35,90 m gehoben werden sollen. Der Trog ist 70 m lang und 9 m breit,
und die Drehscheibe hat 35 m Durchmesser. Das Gewicht der bewegten Teile
einschließlich Wasserfüllung ist hier auf etwa 2500 t, das Gesamtgewicht der
Eisenkonstruktion auf 4200 t veranschlagt. Die Dauer einer Hebung soll 3–4 Minuten
und die erforderliche Antriebskraft ungefähr 200 PS. betragen.
Das Ausführungsrecht für Deutschland ist der Gutehoffnungshütte übertragen worden.
(Schluß folgt.)