Titel: | Geeignete Lager für Kraftfahrzeuge. |
Autor: | Dierfeld |
Fundstelle: | Band 333, Jahrgang 1918, S. 137 |
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Geeignete Lager für Kraftfahrzeuge.
Von Regierungsbaumeister Dierfeld, Berlin-Friedenau.
DIERFELD: Geeignete Lager für Kraftfahrzeuge.
Die Lager von Kraftfahrzeugen arbeiten unter wesentlich anderen Bedingungen als
im allgemeinen Maschinenbau; während hier die Schmierung und Wartung gewöhnlich
durch gelernte Arbeiter, Maschinisten usw. besorgt wird, besitzt der Wagen-, Boots-
oder Flugzeugführer nur in seltenen Fällen technische Kenntnisse. Ferner erreichen
Kraftwagen hohe Fahrgeschwindigkeiten auf verhältnismäßig schlechten Wegen; unter
Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse sind an solche Lager strengere
Anforderungen zu stellen. Das ideale Lager für Kraftfahrzeuge muß etwa folgende
Eigenschaften besitzen:
Einfache Bauart, billige Herstellung, geringes Gewicht, geringen
Platzbedarf, Unempfindlichkeit gegen Stöße, Unempfindlichkeit gegen
Drehzahländerungen, Aufnahme von Radial- und Achsialbelastung, geräuschlosen Lauf,
Nachstellbarkeit bei Abnutzung ohne Aenderung seiner Wirksamkeit, schnelle
Auswechselung bei Beschädigungen, geringen Reibungswiderstand, geringen
Schmierstoffbedarf, geringen Bedarf an Wartung und Bedienung, Möglichkeit
vorübergehenden Betriebes ohne Schmierung.
Inwiefern die heute ausgeführten Lager diese Anforderungen erfüllen, soll im
Folgenden dargelegt werden.
I. Bauarten ausgeführter
Lager.
Im Kraftfahrzeugbau werden heute drei Lagerarten verwandt, welche sich grundsätzlich
voneinander unterscheiden, nämlich Gleit-, Kugel- und Rollenlager; innerhalb dieser
Hauptgruppen gibt es zum Teil sehr verschiedene Bauarten, welche kurz zu besprechen
sind.
Gleitlager. Diese Lager wurden aus dem allgemeinen
Maschinenbau übernommen und trotz ihrer schwerwiegenden, später besprochenen
Nachteile bis in die neueste Zeit von den Automobilkonstrukteuren für gewisse
Lagerungen beibehalten, da ein ernsthafter Widerspruch aus den Kreisen der
Wagenführer bisher nicht erhoben wurde; sie bestehen aus mit Weißmetall
ausgegossenen Lagern oder aus Bronze- bzw. Stahllagerschalen oder -büchsen,
welche den zylindrischen Wellenzapfen in seinem ganzen Umfange umschließen und eine
große Lagerfläche, die sich über die ganze Zapfenlänge erstreckt, darbieten. Eine
Nachstellbarkeit bei Abnutzung läßt sich nur mit geteilten Lagerbüchsen und dann in
sehr roher Weise bewirken. Jedes Gleitlager kann mit Leichtigkeit zur Aufnahme von
ein- oder beiderseitigen Achsialdrücken durchgebildet werden, indem man an einer
oder beiden Seiten entsprechende Bunde anbringt. Die hier auftretende beträchtliche
Reibung ist gleitend und kann nur durch ständige, sorgfältige Schmierung überwunden
werden. Um diesen Nachteil zu beseitigen, werden neuerdings in Amerika sogenannte
selbstschmierende Lagerbüchsen hergestellt (vergl. Abb.
1), welche aus Bronze mit eingegossenen Graphitstreifen bestehen und
längere Zeit auch ohne jede Schmierung laufen können. Natürlich sind diese
Bronze-Graphitbüchsen nur für Schmierstellen zweiter Ordnung brauchbar, wie
Federbolzen, Bremsgestänge, Brems- und Schaltwelle, Andrehkurbel usw., sollen sich
dort aber gut bewährt haben, da regelmäßige Schmierung wegen meist bestehender
Unzugänglichkeit der Schmierstelle oft unterlassen wird. Immerhin ist die neue
Bauart ein Zeichen dafür, daß die Konstrukteure dem Wagenführer, welcher ja
schließlich kein gelernter Maschinist ist, die lästige Arbeit der Schmierung
möglichst erleichtern wollen, wodurch weitere Verbreitung der Kraftfahrzeuge nur
begünstigt wird.
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Abb. 1.
Kugellager. Für einfache, radiale Belastungen wird im
Kraftfahrzeugbau das einreihige Radiallager, auch Traglager genannt, verwandt, welches Abb. 2
in Schnitt und
Ansicht darstellt. Wie ersichtlich, sind ein innerer und äußerer Lauf ring
vorhanden, in deren Laufbahnen die Kugeln laufen. Die Kugeln werden voneinander
getrennt und in richtiger Stellung gehalten durch den Kugelkäfig, dessen Material
und Durchbildung fast bei jeder Firma verschieden ist, aber den Wirkungsgrad des
Lagers erheblich beeinflußt. Wenn genügend genau hergestellt und richtig eingebaut,
wird der größte Teil der Kugeln die Belastung tragen, aber die Kugelzahl im Lager
ist oft klein infolge der Durchbildung des trennenden Käfigs, vergl. hierzu die
punktierte Linie am Umfange des Lagers in Abb. 2,
welche den Abstand zweier benachbarter Kugeln bezeichnet. Außerdem müssen die
Laufbahnen der Lauf ringe nach einem größeren Halbmesser als die Kugeln selbst
gekrümmt sein (vergl. Schnittzeichnung Abb. 3), und
die Kugeln berühren die Laufbahnen nur in' zwei Punkten oder ganz kleinen Kreisen.
Infolge der geringen Kugelzahl und der Punktberührung können einfache Traglager
nicht starke Belastungen aufnehmen; dann sind Doppelreihenlager einzubauen. Eine Nachstellbarkeit ist beim ein- oder
doppelreihigen Traglager nicht vorhanden; es muß also bei Verschleiß ersetzt
werden.
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Abb. 2.
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Abb. 3.
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Abb. 4.
Treten ein- oder beiderseitige Achsialdrücke auf, so müssen ein oder zwei Druck- oder Stützlager in Verbindung mit dem Traglager
verwandt werden, was mitunter ziemlich verwickelte Bauarten ergibt. In Abb. 4 ist ein einfaches Stützlager im Schnitt
dargestellt; es besteht aus zwei Laufringen und der durch Käfig gehaltenen
Kugelreihe; hierfür gilt die oben beim Traglager ausgesprochene Beschränkung der
Tragfähigkeit. Bei Stützlagern tritt stets ein kleines Maß an Gleiten ein, da die
Umfangsgeschwindigkeit des Laufringes bei A und B nicht dieselbe ist, wie durch punktierte Linie
vergrößert angedeutet, andererseits ist die Umfangsgeschwindigkeit der Kugeln bei
A und B stets
dieselbe, wodurch eben das Gleiten entsteht und natürlich die Wirksamkeit des
Lagers, wenn auch in geringem Maße, beeinträchtigt. Solche Stützlager lassen sich
ohne Schwierigkeit nachstellen, was jedenfalls ein Vorteil ist.
Bisweilen werden auch Konuskugellager verwandt, welche
nachstellbar sind und gleichzeitig Achsial- wie Radialbelastung aufnehmen. Sie
kommen praktisch nur für leichte Belastungen, wie Fahrräder, Rollschuhe usw. in
Frage und haben sich hier zweifellos ausgezeichnet bewährt. Abb. 5 zeigt einen Schnitt durch ein solches Lager; um Achsialdruck
aufzunehmen, müssen äußerer und innerer Laufring in einem solchen Winkel zueinander
stehen, daß die senkrechte Tragfähigkeit ganz bedeutend verliert; außerdem muß die
Entfernung A stets überall die genau gleiche sein; denn
schon bei ganz geringen Abweichungen stehen die beiden Laufringe nicht konzentrisch
und nur wenige Kugeln werden die Last aufnehmen. Die Nachstellbarkeit ist deshalb in
der Praxis sehr schwierig zu bewirken, hilft aber auch nicht viel, da schon bei
geringster Abnutzung der Kugeln die Lauflinie zerstört wird und das Prinzip
vernichtet ist. Bei leichten Belastungen, wie bei Fahrrädern, haben diese Fehler
weniger Bedeutung, treten aber sofort scharf hervor, wo diese Lager der Billigkeit
halber im Kraftfahrzeugbau benutzt werden.
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Abb. 5.
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Abb. 6.
Zylindrische Rollenlager. Da die Punktberührung der Kugeln
für größere Belastungen nicht ausreicht, so ist man vielfach dazu übergegangen, im
Automobilbau Rollenlager zu benutzen, welche bei Linienberührung Abb. 5. größere senkrechte Tragfähigkeit besitzen, wie
sie [a im allgemeinen Maschinenbau seit längerer Zeit verwandt werden. Das älteste
Lager dieser Art ist das zylindrische Rollenlager ohne Käfig, welches zum Beispiel
von dem englischen Ingenieur Lanchester schon in den
Jahren 1897/98 bei seinen Versuchswagen benutzt wurde. Eines der verbreitetsten,
zylindrischen Rollenlager mit Käfig ist das Lager von Hyatt, welches Abb. 6 in Ansicht zeigt.
Statt der vollen Stahlrollen sind hier biegsame Rollen aus spiralig gewundenem
Stahlbandverwandt, dessen Dicke und Breite entsprechend Belastung und Drehzahl
bemessen werden. Der Käfig besteht aus zwei ringförmigen, durch Distanzbolzen
verbundenen Stahlscheiben, welche eingepreßte Innenzapfen zur Führung der Rollen
tragen; hierdurch entsteht seitliche, gleitende Reibung zwischen Rollen und Käfig.
Durch die Biegsamkeit der Rollen sollen Fehler in der Montage ausgeglichen werden,
was in der Praxis nicht zutrifft; denn natürlich wird bei falsch eingebauter Rolle
sofort die Reibung erhöht. Solche Lager mit biegsamen Rollen werden besonders bei
billigen, amerikanischen Wagen, wie Ford u.a.m.,
verwandt, wo grobe Einbaufehler bei der schnellen Massenmontage nicht zu vermeiden
sind und es Hauptzweck ist, in einer bestimmten Zeit eine möglichst große Anzahl
„laufender“ Wagen zu erzeugen, ohne Rücksicht auf Reibungsverlust in
ihren Lagern und erhöhten Brennstoffverbrauch. Achsialdruck kann das Lager nicht
aufnehmen; hierfür müssen besondere Drucklager vorgesehen werden. Zylindrische
Rollenlager werden auch in Deutschland seit vielen Jahren hergestellt; Abb. 7 zeigt ein Lager der Norma-Gesellschaft, welches für Kraftfahrzeugbau bestimmt und gegen
Kugellager austauschbar ist. Die Rollen sind sehr kurz gehalten und können sich mit
dem Innenringe bei Durchbiegung der Welle usw. entsprechend einstellen, da der Außenring schwach
ballig gedreht ist. Jede Rolle ist auf einem Stift gelagert und die Außenenden der
Stifte werden durch die Ringe des Käfigs verbunden. Bei diesen Lagern werden die
Rollen in Nuten des unteren Laufringes geführt, was schädliche, gleitende Reibung
verursacht. Da diese Lager keinen Achsialdruck aufnehmen können, werden stets
besondere Stützlager eingebaut. Eine Nachstellbarkeit ist bei allen beschriebenen
Lagern nicht zu bewirken.
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Abb. 7.
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Abb. 8.
Konische Rollenlager. Diese haben im Kraftfahrzeugbau des
Auslandes die größte Verbreitung gefunden und drohen, die Kugellager in vielen
Fällen zu verdrängen. Die bewährteste und weitaus am häufigsten angewandte Bauart
ist das Lager von Timken, auf dessen Bedeutung ich schon
im Jahre 1911Vergl. meinen
Aufsatz: „Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und Anwendung“ in
D. p. J. 1911 Heft 14 ff. hinwies; heute werden fast alle
Lastwagen und der größte Teil der Personenwagen Amerikas, sowie schwere Schlepper
und Motorflüge ständig mit Timkenlagern ausgerüstet. Abb.
8 zeigt eines der im Personenwagenbau gebräuchlichen Rollenlager von Timken; links sieht man den konischen Innenlaufring mit
zwei Führungsrippen, darunter eine Rolle, welche kurz, schwach konisch gehalten und
mit Rollenkopf versehen ist. Nach der Mitte zu sieht man den aus Stahl in einem
Stück gepreßten Käfig, sowie den Innenlaufring mit aufgelegten Rollen nebst Käfig,
und ganz rechts den Außenlaufring, welcher innen glatt konisch ist.
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Abb. 9.
Der aus einem Stück gefertigte Stahlkäfig, der den Zweck hat, die Rollen auf dem
Innenlaufring zu halten, ist fast unverwüstlich und berührt während der Arbeit weder
Innenlaufring noch Außenlaufring; die seitlichen Flanschringe des Käfigs dienen,
ebenso wie die Käfigrippen, lediglich zum Halt und zur Hilfsführung der Rollen,
sowie zur Fassung des Schmiermaterials. Außerdem verhindern, was sehr wichtig ist,
Flanschringe und Rippen des Käfigs bei etwa eintretendem Rollenbruch, daß
Bruchstücke in die Laufflächen geraten, und die langjährige Praxis hat erwiesen, daß
bei dieser Anordnung solche Rollenbrüche kein Unheil anrichten können, auch wenn sie
nicht rechtzeitig bemerkt werden und das Lager mit den gebrochenen Stellen noch
lange weiterlief.
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Abb. 10.
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Abb. 11.
Die größte Schwierigkeit bei der Durchbildung eines Rollenlagers besteht in der
Führung der Rollen in ihrer Längslage, da die geringste Abweichung die gerade
Kontaktlinie stören und ungleiche Abnutzung hervorrufen würde. Timken hat diese Aufgabe in einwandfreier Weise gelöst, wie der Schnitt in
Abb. 9 zeigt. Wie schon betont, hat der
Innenlaufring zwei Führungsrippen, von denen die innere beiderseitig, die äußere
einseitig nach Kugelform gewölbte Flanken hat. Die Ringnut zwischen Rollenkopf und
Rollenkörper hat nach kleinerem Kugelhalbmesser gewölbte Flanken, welche sich auf
den Flanken der Innenrippe abwälzen, während das Außen ende der Rolle ebenfalls
kugelförmige Flanke besitzt und auf der Flanke der Außenrippe abrollt. Das Abrollen
der Rollen auf den Führungsrippen des inneren Laufringes geht also so vor sich, als
ob die umlaufenden, kleinen Kugeln (welche die Rolle darstellen) sich auf
feststehenden Kugeln von sehr großem Durchmesser abwälzen. Bei radialer Belastung
und Betrieb des Lagers bleiben diese Rollenführungsflanken gänzlich unbelastet und
schweben die Rollen frei zwischen den Rippen des Innenlaufringes, wie es theoretisch
richtig ist. Die Führungsflächen der Rippen treten nur bei Achsialdruck in
Tätigkeit, wie im Schnitt Abb. 10 übertrieben
dargestellt. Wie ersichtlich, kommt bei dem angedeuteten Achsialdruck, für welchen
das Lager bestimmt ist, nur eine Führungsfläche an Rolle und Innenlaufring in
Berührung; alle anderen Führungsflächen sollen dabei in der Hauptsache die Rolle in
richtiger Stellung halten, während der eigentliche Achsialdruck in den konischen
Tragflächen von Rolle, bzw. Laufringen, aufgenommen wird. Infolge der Kegelform der
Rollen und Laufringe kann das Lager nach Abnutzung der Laufflächen nachgestellt
werden, ohne daß der Grundgedanke darunter leidet; natürlich erhöht dies wesentlich
die Lebensdauer des Lagers. Dies veranschaulicht klar Abb.
11; bei Abnutzung wird dann ein kleiner Zwischenraum zwischen Außenlaufring und
Rollen entstehen, der durch Verschiebung von Außen- oder Innenlaufring in
Pfeilrichtung beseitigt wird. Die Berührungslinie 1–2
und 3–4 von Außenring und Rolle bleiben hierbei genau
parallel, und wie vorher entsteht theoretisch richtiger Linienkontakt. Für stärkere
Belastungen wendet Timken lange Rollen an, welche an
beiden Enden Köpfe zur Führung besitzen, wobei auch der Innenlaufring entsprechend
durchgebildet ist (vgl. Abb. 12). Sonst ist aber die
Bauart genau die gleiche, wie beim kurzen Lager.
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Abb. 12.
Besonders hervorzuheben ist, daß das einbaufertige Lager nur aus zwei Einzelteilen
besteht, nämlich dem zu einem Ganzen vereinigten Innenlaufring und Käfig nebst
Rollen, sowie dem Außenlaufring, wodurch die Handhabung und Nachstellung wesentlich
erleichtert wird.
Die Timkenlager werden, den europäischen Verhältnissen Rechnung tragend, schon seit
Jahren in Millimeterabmessungen gebaut und die Bemessung derart durchgeführt, daß
sie gegen normale Kugellager austauschbar sind. Eine nachträgliche Auswechselung
Störung verursachender Kugellager gegen Timkenlager bietet sonach keine
Schwierigkeit. Die Lebensdauer der Timkenlager ist sehr hoch und oft halten diese
Lager länger als der Wagen selbst; dies wird nachdrücklich bestätigt durch den
Zustand der Timkenrollenlager bei erbeuteten Lastwagen; sie sind, wie die
unretuschierte Abb. 13 zeigt, auch bei Wagen älteren
Typs wunderbar erhalten, wenn man die harte Beanspruchung und geringe Wartung
während des Krieges in Betracht zieht. Die abgebildeten Lager zeigen tatsächlich
keine Abnutzung und sind ohne Bedenken wieder zu verwenden. Diese Tatsache hat bei
Heeresverwaltung wie Automobilindustrie größte Beachtung gefunden, auch schweben
Unterhandlungen, wonach Timkenlager in Deutschland hergestellt werden sollen.
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Abb. 13.
Die Erfolge der Bauart von Timken haben natürlich eine
ganze Anzahl ähnlicher Konstruktionen ins Leben gerufen; so zeigt Abb. 14 das Lager der Bock
Roller Bearing Co. Die Rollen dieses konischen Rollenlagers sind an
einem Ende als Kugelköpfe ausgebildet, die sich bei einseitigem Achsialdruck an
einer Fläche des Innenlaufringes, ähnlich wie beim Timkenlager, abrollen. Hierzu ist
jedoch eine Nut im Innenlaufring für den vorragenden Kugelkopf vorgesehen, wodurch
der Innenlaufring verhältnismäßig lang und schwer wird, während zum Beispiel bei Timken die kugelsegmentartige Ausbildung und Abrollung an
beiden glatten Rollenenden auf korrespondierenden Wülsten des Innenlaufringes vor
sich geht und dadurch das Lager kürzer, resp. gedrungener wird. Außerdem besitzt das
Bocklager einen Käfig, der aus zwei Teilen zusammengesetzt ist (vergl. Abb. 14), während der aus einem Stück hergestellte
Käfig zweifellos bedeutend größere Betriebssicherheit bietet. Das Bocklager ist
durch die Konizität von Rollen und Laufringen nachstellbar.
Textabbildung Bd. 333, S. 140
Abb. 14.
Die zwei ineinander zu schiebenden Käfige, die den Zweck haben, die Rollen bei Ein-
und Ausbau zu tragen, sind nicht ständig starr miteinander verbunden und gewähren
also keine absolute Sicherheit der richtigen Bettung der Rollen, da im Betriebe
zweifellos der eine Käfig gegen den anderen etwas voreilen bzw. zurückbleiben wird.
Dies vermehrt natürlich die Berührungspunkte zwischen Käfig und Rollen in
unerwünschter Weise und somit auch die Reibungspunkte.
Textabbildung Bd. 333, S. 140
Abb. 15.
Ein anderer schwerwiegender Nachteil ist der, daß beim Bocklager: „Rollen,
zweiteiliger Käfig und innerer Laufring“ Einzelteile darstellen, die erst
beim Einbau zusammengefügt werden, wogegen beim Timkenlager: „Einteiliger Käfig
mit fest eingesetzten Rollen und innerer Laufring“ ein festes Ganzes bilden.
Wie sehr die letztere Anordnung die Montage und vor allem die richtige Einstellung
und Nachstellung eines solchen Lagers erleichtert, braucht hier nicht hervorgehoben
zu werden.
Auch beim deutschen Fischerlager (Abb. 15) ist kein eigentlicher Käfig vorhanden; hier sind zwischen den
einzelnen Rollen Lamellen angeordnet, die die Rollen im äußeren Laufringe festhalten; bei
dieser Bauart ist es nicht zu vermeiden, daß Rollen und Lamellen dicht
aneinanderkommen, wodurch unnütze Reibung entsteht. Die Rollenenden sind an beiden
Seiten zapfenartig ausgebildet und werden durch zwischengeschaltete Kugeln geführt,
was ähnliche Nachteile, wie vorher beschrieben, mit sich führt. Die Bauart ist also
verwickelt und teuer; auch ist es prinzipiell nicht richtig, die Rollen im äußeren
Laufring festzuhalten, da dann der Zustand der Laufflächen von Rollen und Außenring
wie Führungskugeln garnicht zu beobachten und nachzuprüfen ist.
II. Gleit-, Kugel- oder Rollenlager für
Kraftfahrzeuge?
Wie schon früher betont, ist das Gleitlager aus dem allgemeinen Maschinenbau
übernommen und von den Konstrukteuren beibehalten worden, da ihnen einerseits ein
besser wirkender Ersatz nicht zur Verfügung stand, andererseits von den Verbrauchern
die vielen schwerwiegenden Nachteile stillschweigend ertragen, gewissermaßen als zur
Bedienung einer Maschine gehörig hingenommen wurden. Sicherlich ist ein Gleitlager
einfach, billig, verhältnismäßig leicht, gegen Stöße unempfindlich, in gewissem
Grade nachstellbar, kann Achsial- wie Radialdruck aufnehmen, hat große Tragfähigkeit
und sichert infolge der großen Lagerfläche geräuschlosen Lauf der Welle, jedoch
nimmt es viel Platz ein, erfordert ständige Ueberwachung, verbraucht sehr viel Oel
und ist bei dem geringsten Versagen der Oelzufuhr nicht mehr betriebsfähig, was
langwierige und fachmännische Ausbesserungen nach sich zieht. Das Schmiersystem ist
hierbei ziemlich verwickelt und verteuert die ganze Anlage, endlich aber, und das
ist ein Hauptgrund, verursachen Gleitlager einen Reibungswiderstand, der um ein
Vielfaches höher ist, als bei Rollen- und Kugellagern. Durch Anwendung von
Gleitlagern wird also der zum Vortrieb des Fahrzeuges nötigen, meist schon
beschränkten Motorleistung ein gewisser Anteil entzogen und nutzlos vergeudet. Aus
diesen Gründen sollten Gleitlager in Zukunft bei Kraftfahrzeugen überhaupt nicht
mehr zur Verwendung kommen, zumal in Kugel- und Rollenlagern ein brauchbarer Ersatz
besteht. Wenn zu Beginn dieses Krieges ein plötzlicher, endgültiger Mangel an
Lagermetall eingetreten wäre, hätten wir heute schon kein Gleitlager am Wagen mehr
und Automobil- wie Flugmotoren mit auf Kugeln oder Rollen gelagerten Kurbelwellen
als normale Ausführung; daß dies wohl möglich ist, zeigt das im letzten Abschnitt
besprochene Beispiel von englischen Flugmotoren.
Scheidet also das Gleitlager in absehbarer Zeit aus dem Wettbewerb aus, so bleibt die
Frage zu entscheiden, ob in Zukunft Kugel- oder Rollenlager im Kraftfahrzeugbau vorherrschen werden bzw.
welche von dessen Sondergebieten jedem Lager vorbehalten bleiben.
Vergleiche zwischen Kugel- und zylindrischen Rollenlagern.
Der schwerwiegende Einwand, welcher bei uns gegen das Rollenlager erhoben wird, ist
der höhere Reibungswiderstand gegenüber dem Kugellager. Dieser Einwand gründet sich
auf Laboratoriumsversuche, welche mit Rollenlagern mangelhafter Bauart und
Präzisionskugellagern vorgenommen wurden, von denen letztere schon seit vielen
Jahren die einheitliche, heute noch bewährte Form besitzen. Wie verschieden jetzt
noch die Bauarten von Rollenlagern sind, wurde im vorhergehenden Abschnitt
geschildert; dort wurde auch dargelegt, welche Verluste bei vielen Rollenlagern
durch gleitende, seitliche Reibung entstehen. Daß ein Rollenlager mit gleitender,
seitlicher Reibung eine höhere Reibungsziffer hat, als das heutige
Laufringkugellager
Textabbildung Bd. 333, S. 141
Nr.; Type; Art; innen; außen;
Breite; Umdrehungen in der Minute; Zulässige Belastung in kg; Gew.; Rollenlager;
Kugellager; leicht; mittel; schwer; normal; erhöht.
mit rein rollender Reibung, ist einleuchtend; der Vergleich würde sich aber
günstiger stellen, wenn ein Rollenlager mit reiner seitlicher Abrollwirkung, wie zum
Beispiel das Timkenlager, herangezogen würde. Ferner erstreckten sich die oben
erwähnten Versuche auf Kugel- und Rollenlager unter derselben spezifischen Belastung, es wurden also ganz verschieden starke Lager
verglichen.
Textabbildung Bd. 333, S. 142
Abb. 16.
1 Rollenlager Norma NL, leicht 50
mm Innendurchm., 90 mm Außendurchm., 20 mm Breite; 3 Kugellager Norma M, mittel
50 mm Innendurchm., 110 mm Außendurchm., 27 mm Breite; 17 Kugellager M. R. B,
mittel 50 mm Innendurchm., 110 mm Außendurchm., 27 mm Breite; 8 Kugellager DWF
B, mittel, erhöhte Kugelzahl, 50 mm Innendurchm., 110 mm Außendurchm., 27 mm
Breite.
Textabbildung Bd. 333, S. 142
Abb. 17.
1 Rollenlager Norma NL, leicht 50
mm Innendurchm., 90 mm Außendurchm., 20 mm Breite; 9 Kugellager DWF C, schwer 50
mm Innendurchm. 130 mm Außendurchm., 31 mm Breite; 18 Kugellager M. R. C, schwer
50 mm Innendurchm., 130 mm Außendurchm., 31 mm Breite.
Textabbildung Bd. 333, S. 142
Abb. 18.
1 Rollenlager Norma NL, leicht 50
mm Innendurchm., 90 mm Außeudurchm., 20 mm Breite; 19 Doppelkugellager M. R. AA,
leicht 50 mm Innendurchm, 90 mm Außendurchm., 23 mm Breite; 20 Doppelkugellager
M. R. BB, mittel 50 mm Innendurchm., 110 mm Außendurchm., 40 mm Breite.
Die Praxis erfordert im allgemeinen andere Bewertungsgrundlagen. Der
Konstrukteur kennt in den seltensten Fällen die spezifische Beanspruchung. Er hat
gewöhnlich Lager ganz bestimmter Tragfähigkeit zu wählen,
die bei möglichst geringem Gewicht, Platz-, Material- und Arbeitsaufwand den
jeweiligen Erfordernissen genügen.
Die Frage läßt sich auf Grund vorstehender Tabelle und Schaulinien entscheiden. In
der Tabelle sind für verschiedene Betriebsverhältnisse zylindrische Rollen- und
Kugellager zusammengestellt von möglichst gleicher Tragfähigkeit. Die angegebenen
Belastungen gelten für Beharrungsbetrieb und entsprechen der äußeren Tragfähigkeit.
Die Zahlen entstammen unmittelbar den Firmenlisten. Aus der Tabelle ist zu
entnehmen:
Platzbedarf. Das zylindrische Rollenlager, Nr. 1 der
Tabelle, besitzt die kleinsten Einbaumaße aller zusammengestellten Lager,
beansprucht also den geringsten Platzbedarf. Es sind zwar in der Tabelle auch einige
Kugellager derselben Außenmaße vorhanden, sie sind aber durchgehends schwächer als
das Rollenlager Nr. 1. Sie wurden daher aus dem kurvenmäßigen Vergleich (Abb. 16, 17 und 18) ausgeschaltet.
Gewicht. Das Rollenlager wird leichter als sämtliche
Kugellager der Tabelle.
Die leichtesten Vergleichslager (Nr. 3, 8 und 17 der Tabelle) haben durchschnittlich
das doppelte Gewicht. Die Tragkurven sind in Abb. 16
zusammengestellt. Das Lager 17 kann nur bei Drehzahlen unter 100, Lager 8 bis zu
1000 Touren die Belastung des Rollenlagers Nr. 1 vertragen, während das Kugellager 3
bis zu den höchsten Geschwindigkeiten gleiche Tragkraft besitzt. Es hat größeren
Durchmesser, größere Kugelzahl und mehr als doppeltes Gewicht des Rollenlagers.
Abb. 17 stellt die Lager schwerer Ausführung (Nr. 9
und 18 der Tabelle) mit dem Rollenlager in Vergleich. Das Kugellager 18 ist bei
niederen und mittleren Geschwindigkeiten bis zu 1700 Touren wettbewerbsfähig, das
Lager 9 bis zu etwa 3000 Touren. Die Einbaumaße sind aber wesentlich größer und das
Lager besitzt mehr als das vierfache Gewicht des Rollenlagers.
Abb. 18 enthält die Tragkurven des Rollenlagers Nr. 1.
und der doppelreihigen Kugellager Nr. 19 u, 20 der Tabelle. Auch hier werden die
Einbaumaße des Rollenlagers überschritten. Das doppelreihige Kugellager Nr. 19 wird
dreimal, das Nr. 20 fünfmal so schwer wie das Rollenlager.
Unempfindlichkeit gegen Drehzahländerung. Die
Triebkraft des Rollenlagers bleibt bis zu den höchsten Drehzahlen auffallend
gleichmäßig (s. Tabelle und die Abb. 16 bis 18). Diese Eigenschaft ist besonders bemerkenswert,
das Rollenlager ist in dieser Hinsicht dem Kugellager überlegen. Die
Belastungsfähigkeit der Kugellager ist schon bei geringen Tourenzahlen sehr
veränderlich und fällt bei hohen Geschwindigkeiten bedeutend ab. Schnelllaufende
Kugellager benötigen darum verhältnismäßig große Kugeln; sie werden schwer, teuer,
beanspruchen entsprechend mehr Platz und bleiben bekanntlich trotzdem sehr
empfindlich. Sie Kurten vielfach zu recht unangenehmen Erfahrungen. Infolge ihres
hohen Wartungsbedürfnisses und des großen Verschleißes ist störungsfreier Gang und
Dauerbetrieb schwer aufrecht zu erhalten. Plansichter, Walzenstühle usw. werden
heute selten auf Kugeln gelagert. Selfaktoren und raschlaufende Spinnspindeln laufen
nach vielen vergeblichen Versuchen wieder auf Gleitlagern.
Rollenlager mit hoher Arbeitsgeschwindigkeit bieten wesentlich größere
Betriebssicherheit. Durch ihre höhere und wenig veränderliche Tragkraft sind sie
gegen Geschwindigkeitsschwankungen unempfindlicher, durch die bessere Lastverteilung
widerstandsfähiger gegen Ueberlastung. Daher eignen sie sich besonders für rauhen
Betrieb.
Unempfindlichkeit gegen Stöße. Unter Erschütterungen und
Stößen gewähren Rollenlager größere Lebensdauer als Kugellager. Sie dürften daher im
Fahrzeugbau noch größere Bedeutung erlangen.
Reibungsverhältnisse. Nach der Tabelle und den Kurven
(Abb. 16 bis 18)
kann das Rollenlager nur durch größer dimensionierte Kugellager von doppeltem und
mehrfachem Gewicht ersetzt werden.
Mit zunehmender Lagergröße wächst aber die Laufbahn der Kugeln und ihre gesamte
Auflagefläche in den Lauf rillen und Käfigen. Deshalb ist es nicht zulässig, beim
praktischen Vergleich die Lagerarbeit einfach nach Reibungskurven zu bewerten.
So lange die Rollenlager einfachen Kugellagern gegenübergestellt werden, dürfte die
Lagerreibung praktisch wenig verschieden werden. Anders gestaltet sich dagegen die
Sachlage, wenn etwa Platzmangel im Durchmesser oder Gründe der besseren
Lastverteilung mehrreihige Kugellager erfordern; denn dann erreichen die Kugellager den mehrfachen Arbeitsbedarf der
Rollenlager. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Vergleichsrollenlager
der Norma-Gesellschaft, wie
früher ausgeführt, mit seitlich gleitender Reibung der Rollen an Käfig wie Nuten des
Innenringes arbeitet, was den Reibungswiderstand erhöht.
Schmierstoffbedarf. Der geringen Reibung entspricht
schwache Wärmeentwicklung; die Rollenlager bedürfen daher geringer Wärmeabfuhr, mit
anderen Worten, verhältnismäßig schwacher Schmierung; in der erreichbaren
Oelersparnis dürfte sich ein beachtenswerter, wirtschaftlicher Faktor erblicken
lassen.
Auswechselbarkeit, einfache Bauart und billige
Herstellung. Bei Kugel- wie Rollenlagern im wesentlichen gleich.
Wartung und Bedienung. Rollenlager erfordern im
allgemeinen weniger Wartung als Kugellager, auch können Motorlager nach Versuchen
von Bradshaw, vergl. III. Abschnitt, anstandslos einige Stunden bei Belastung ganz
ohne Schmierung laufen, während bei Fahrzeugen Strecken von einigen Tausend
Kilometern ohne jede Schmierung einwandfrei zurückgelegt wurden; dies wird bestätigt
durch die praktische Erfahrung an den primitiven Rollenlagern bei Feldbahnwagen, bei
denen oft von regelmäßiger Schmierung nicht die Rede ist.
Nachstellbarkeit und Aufnahme von Achsialdruck. Bei Kugel-
wie zylindrischem Rollenlager nicht vorhanden, trotzdem praktisch bei jeder Welle eine Endbegrenzung notwendig ist.
Geräuschloser Lauf. Hierin ist das Rollenlager überlegen
wegen der sichereren Wellenlagerung infolge der Linienberührung, welche Schwingungen
verhütet.
Vergleiche zwischen Kugel- und Konusrollenlagern. Zur richtigen Ausführung eines solchen Vergleiches
müßten kombinierte Trag- und Stützkugellager mit Konusrollenlagern verglichen
werden, welche sie ja ersetzen sollen; dabei würde das Konusrollenlager nicht nur
alle Vorzüge des zylindrischen Rollenlagers zeigen, sondern auch infolge der
seitlich rollenden Reibung, Nachstellbarkeit, einfachen Bauart und billigen
Herstellung einen weiteren Vorsprung gewinnen.
(Schluß folgt.)