Titel: | Kleinere Mitteilungen. |
Fundstelle: | Band 317, Jahrgang 1902, Miszellen, S. 499 |
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Kleinere Mitteilungen.
Kleinere Mitteilungen.
Vom Pacific-Kabel.
„Das englische Pacific-Kabel ist auf Tiji
gelandet“ besagt vor kurzem eine inhaltschwere Depesche. Damit ist
England an die Ausführung der ersten Kabellinie durch den. Stillen Ozean
herangegangen und hat einen Teil derselben bereits gelegt. Das Kabel, das den
Regierungen von England, Kanada und Australien gemeinsam gehört, 40 Millionen Mark
kostet, 15320 km lang wird, legt der neue Doppelschrauben-Kabeldampfer
„Colonia“, der erst am 14. Februar auf der Neptunwerft von Wigham Richardson zu Wasser
kam, und über den wir bereits näheres berichteten, zur Zufriedenheit, und die
thatsächliche Inbetriebnahme des Stillen-Ozeankabels ist sonach nahe bevorstehend.
Dass die beiden englischen Privatkabelgesellschaften, welche vor der Eröffnung
bisher das Monopol der Kabelverbindung nach Australien besassen, die Eastern Comp. und die Eastern
Extension Comp., von der neuen Staatslinie als Konkurrentin besonders
erbaut sind, ist kaum anzunehmen, um so weniger, als es den Anschein hat, dass
England zu beabsichtigen scheint, alle seine Kolonien und festen Plätze mit dem
Mutterlande und untereinander durch Staatskabel zu verbinden, zunächst ein solches
Kanada-Schottland wohl bald legen wird.
Während England also fleissig bei der Arbeit ist, steht es mit der amerikanischen
Kabellinie durch den Stillen Ozean eigentümlich; man zankt sich noch herum, ob der
Staat oder eine Privatgesellschaft, zur Zeit die Commercial
Pacific Cable Company, das Kabel legen soll. Man hat die Linien, die Bau-
und Betriebskosten zum so und so vielten Male berechnet und umgerechnet, die Western Union und die Postal
and Commercial Telegraph Comp. hatten sich beworben, letztere
behauptete, schon Erfolg gehabt zu haben, da wurde Mc
Kinley ermordet, die Angelegenheit verschoben, die Commercial Pacific Cable Company bildete sich zu Albany und trat als
Mitbewerberin auf, auch eine Londoner Firma – wahrscheinlich Siemens Bros. – liess von sich hören und wollte oder will die Strecke San
Francisco-Honolulu für 12,5 Millionen Dollar legen und zwar bis zum 1. Oktober 1902.
Und während diesen Verhandlungen und Interessenkämpfen legt England sein Kabel. Wie
so vielfach, wird der vielgepriesene amerikanische Unternehmungsgeist hier
handgreiflich gehörig überschätzt, und zwar kommt dies von der Saumseligkeit, ohne
die es drüben einmal nicht abgehen kann, und auf den man besonders in Deutschland,
trotz aller Erfahrungen, immer noch hereinfällt. Man denke einmal, was nicht alles
schon vom Nicaragua-Kanal gefabelt und in die Welt hinausposaunt ist, während
thatsächlich noch so gut wie kein Spatenstich gethan wurde und höchst wahrscheinlich
der Panama-Kanal einmal gebaut werden wird, der von der amerikanischen Presse so
lange bemängelt wurde, als er ihnen nicht gehörte oder – vielmehr nicht billig genug
war, und man denke an die Fabeleien des Aufkaufs der englischen und deutschen
Atlantic-Linien, bei denen, namentlich bei den deutschen, der Einfluss gleich Null
ist, und es sehr fraglich erscheint, ob Amerika überhaupt ein nennenswertes Geschäft
machen würde. Jedenfalls wird England im stände sein, im Sommer 1902 auf
Staatskabeln Depeschen durch den Stillen Ozean senden zu können, während das
vielbeschrieene amerikanische Kabel noch im Milchteich liegt und in Wirklichkeit
weder existiert noch einen anerkannten Erzeuger hat.
Die neuen britischen Schnelldampfer.
Im ganzen vereinigten Königreich hat man es unangenehm bedrückend empfunden, dass den
Weltrekord der Fahrt über den Atlantic Deutschland fest in der Hand hält, und zwar
nicht mit einem, sondern gegenwärtig mit drei Schnelldampfern: „Deutschland“
der Hamburg-Amerika-Linie, „Kronprinz Wilhelm“ und „Kaiser Wilhelm der
Grosse“ des Norddeutschen Lloyd, denen demnächst ein vierter, „Kaiser
Wilhelm II.“ des Lloyd, noch im Bau beim Vulkan
in Bredow bei Stettin, folgen wird. Alle diese Dampfer laufen die Ozeanfahrt mit 23
Meilen und darüber, während es die schnellsten Engländer, die beiden Cunard-Liner
„Campania“ und „Lucania“ nur bei 28000 PS gegen 35600 PS der
„Deutschland“ auf 22 Meilen Fahrt brachten. Dabei ist zu bemerken, dass
die deutschen Dampfer keinen Pfennig Staatssubsidien beziehen, wie englische Blätter
vielfach unentwegt zu behaupten belieben, während England die Dampfer, welche in
erster Linie bestimmt sind, im Kriege als Hilfsschiffe zu dienen, prämiiert. Es
waren im Vorjahr elf, die nach Fairplay mit 1264000 M.
subventioniert wurden.
Es wurde daher die Nachricht freudig begrüsst, dass die Cunard-Line beabsichtige,
zwei grosse Schnelldampfer in Fahrt zu setzen, die bestimmt seien, die deutschen
Dampfer, die sich zudem noch recht gut rentieren, zu schlagen. Die englische Presse
äusserte sich höchst anerkennend über das Vorhaben und schrieb von 25 bis 26 Meilen
Fahrt. Diese Freude aber zeigt sich bei näherer Betrachtung als recht verfrüht, denn
die genannte Gesellschaft hat bisher nichts gethan, als drei grosse englische
Baufirmen auffordern lassen, Pläne für einen 700 Fuss gleich 213,356 m langen
Dampfer einzureichen, dazu Baukostenanschläge und Berechnung der Gagen und des
Kohlen Verbrauchs für 24 Meilen Schnelligkeit. Engineering schätzt die notwendige Kraftentwickelung, welche notwendig
erscheint, ein so langes Schiff auf 24 Meilen Fahrt zu bringen, wohl etwas hoch, auf
48000 PS, denn „Deutschland“ ist bei 208 m Länge nur um rund 5,5 m kürzer als
die geplanten Engländer und im Maximum auch über 24 Meilen, während der Ueberfahrt
23,53 gelaufen, so dass eine Vermehrung der Maschinenstärke für den halben Knoten
mehr um 12500 PS doch wohl etwas zu viel zu sein scheint. Wann die Dampfer wirklich
fahren werden, ist sonach ganz unbestimmt, und der Weltrekord Deutschlands ist für
absehbare Zeit gesichert. – Die Cunard-Line hat sich bisher dem grossen
amerikanisch-englischen Reederring nicht angeschlossen (4. 5. 1902), doch scheint es
fraglich, ob sie sich nicht doch noch dazu verstehen wird – in ihrem Interesse.
Der amerikanische Siebenmastschoner.
Ueber den Schoner von sieben Masten, welcher auf den Fore
River Works, Anincy Point, Massachussets, gebaut wurde, ist schon viel
geschrieben worden. Es haben sich sogar schon vor Fertigstellung desselben Stimmen
erhoben, welche Fortschritte in der Segelkunst bei dieser Anordnung der Besegelung
sahen und moderne Ansichten zum besten gaben, welche darin gipfelten, dass man heute
weiter sei in der Art der Besegelung als früher. An die tadellos exakten Manöver der
Kriegsflotten, die bis hundert Schiffe zählten, hat man dabei wohl ebensowenig
gedacht, wie an die Theeklipper, die längere Zeit die Wettfahrten mit den Dampfern
aufnehmen konnten, wie endlich an die tadellosen Leistungen der modernen grossen
Stahlsegelschiffe, die vom Siebenmastschoner erst noch überboten werden sollen. Zu
dessen Konstruktion – er wurde von Crowninshield
entworfen – ist man, abgesehen von etwas Trieb nach Sport, der im amerikanischen
Schiffbau durchaus nicht vollständig von der nüchternen Praxis auf Rentabilität
überwuchert wird, davon ausgegangen, dass die Gaffeltakelage weniger Hände zur
Bedienung beansprucht, dass sich das Segelbergen und Setzen schneller vollzieht, und
dass es bis zu einem gewissen Grade möglich ist, die Bedienung durch maschinelle
Einrichtungen zu erleichtern. Man will dem Schoner, der 7000 t Ladefähigkeit
besitzt, 10000 t deplaziert, nur, einschliesslich des Kapitäns, 20 Köpfe Bemannung
geben, während ein Theeklipper, vollgetakelt, von 1000 t, 60 Köpfe Besatzung hat.
Der Siebenmastschoner wird 120,47 m lang, 15,25 m breit, 10,5 m tief und erhält eine
Segelfläche von 3772 qm. Der grösste fertige Segler ist die Hamburger Fünfmastbark
„Potosi“, gebaut von J. C. Tecklenburg in
Geestemünde, von 119,4 m Länge, 15,9 m Breite, 8500 t Deplacement, die aber 4700 qm
Segelareal führt, und das ebenfalls bei Tecklenburg im
Bau befindliche Fünfmastvollschiff „Preussen“, das 1902 zum Ablauf gelangt,
entwickelt bei 133 m Länge, 16,31 m Breite, 11400 t Deplacement eine Segelfläche von
5560 qm. „Potosi“ ist auf ihren Reisen mehrere Tage hindurch im Mittel 16,2
Meilen (à 1852 m) in der Stunde gesegelt, eine Leistung, welche ihr der
Siebenmastschoner schwerlich nachmachen wird.
F. E.
Die Goldgewinnung.
Der Goldabbau im Jahre 1901 stellt sich wie folgt:
In den
Vereinigten Staaten
16043600
£
gegen
15864500 in 1900
Westaustralien
6546145
„
Queensland
2227713
„
Victoria
2736700
„
Neu-Südwales
869568
„
Neu-Zeeland
1574890
„
Tasmanien
157900
„
Indien
1845116
„
Rhodesia
549108
„
Transvaal
881595
„
Russland (Ural)
160000
„
In den Vereinigten Staaten verteilt sich der Gesamtabbau wieder auf
Colorado mit den Cripple-Creekfeldminen mit
29000000
Doll.
Californien
15730700
„
Alaska
6940000
„
Süddakota
6601800
„
Montana
5023300
„
Arizona
4193400
„
In Südafrika hebt sich seit Mai 1901 trotz des Krieges die Thätigkeit in den Minen
ganz bedeutend – es sind bis jetzt 1635 Stampfwerke in Betrieb –, weil es eine
Lebensfrage für England wird, die nötigen Geldmittel flüssig zu machen.
Die Goldeinfuhr in England betrug in £.
1901
1900
1899
Gesamteinfuhr
20715628
26190873
32533497
Davon führten ein:
Britisch-Südafrika
1962283
378626
15014631
Britisch-Indien
6946334
3778331
1725562
Australien
5566724
6458918
5055630
Amerika (Vereinigte Staaten)
263816
5870734
2379046
Deutschland
365892
2543809
2396790
Frankreich
1174543
2156032
1840646
Aegypten
1148890
275401
131058
Es ergibt sich aus dem Vergleich der Zusammenstellungen, dass Indien 5100000 £ über seinen Neuabbau einzahlte, ebenso Südafrika
531580 £, während andererseits Amerika nur einen ganz
geringen Betrag an England abzugeben hatte.
E. A.
Bücherschau.
Gleichstrommessungen. Handbuch für Studierende und Ingenieure. Für den praktischen Gebrauch bearbeitet von Milan T. Zsakula, dipl. Maschineningenieur, Assistent an der königl. Technischen Hochschule in Budapest. Berlin 1901. Louis Marcus.
Wie die Vorrede betont, war der Verfasser bestrebt ein Hilfsbuch zu schaffen, welches
sowohl den Studierenden, welche sich mit der elektrischen Messkunde vertraut machen
wollen, als auch jenen Technikern und Ingenieuren, welche als Nichtelektrotechniker
dennoch in ihrer praktischen Thätigkeit elektrische Messungen öfter auszuführen
haben, ein verlässlicher Ratgeber sein soll. Wie aus den Ausführungen zu entnehmen,
verfügt der Verfasser über ein gediegenes Wissen. Allein damit ist es doch noch
nicht abgethan, um ein Werk zu schaffen, welches dem angestrebten Zwecke zu
entsprechen vermag. Das Wissen genügt hierbei wohl nicht allein, um ein derartiges,
den wirklichen praktischen Zwecken entsprechendes Werk zu verfassen. Wir sehen hier
wieder eines jener leider sich zu oft wiederholenden Beispiele, in welchen junge
aufstrebende Kräfte, welche sich ein gewisses Mass von Kenntnissen angeeignet haben,
ihrem Bestreben, sich in der Oeffentlichkeit zu bethätigen, freien Lauf geben und
hierin von einer weniger rigorosen Verlagshandlung unterstützt werden. Solchen
jungen Kräften fehlt es aber in der Regel, gottbegnadete Ausnahmen sind ja leider
sehr selten, an der nötigen Erkenntnis dessen, was dem wirklichen praktischen
Bedürfnisse entspricht und sind sohin in der Auswahl des Stoffes in der Regel zu
wenig sorgfältig. Das junge frische Gedächtnis lässt den Autor hierbei, wohl selten
im Stiche, so dass sachliche Unrichtigkeiten kaum vorzukommen pflegen, allein es
fehlt
ihnen in der Regel an jenem nur durch längere Erfahrung und praktische
Bethätigung auf dem gewählten Berufsgebiete erzielbaren, abgeklärten Urteil, welches
allein zur Schaffung eines den Zwecken entsprechenden Werkes befähigt,
vorausgesetzt, dass die hierzu unbedingt erforderliche natürliche Begabung vorhanden
ist. Dieses Werk, welches den Titel Gleichstrommessungen führt, umfasst im ganzen 300 Seiten, von welchen
jedoch nur annähernd 135 Seiten diesem Gegenstande gewidmet sind, während die
übrigen 156 Seiten sich zumeist mit physikalischen Erläuterungen aus dem Gebiete der
Mechanik, des Magnetismus und der Elektrizität befassen, in denen zwar die
Erläuterungen vollkommen sachgemäss ausgeführt erscheinen und daher keinen Anlass zu
Bemängelungen geben können, die aber in den Rahmen eines Buches über elektrische
Messkunde nicht recht einpassen und nebstbei in jedem physikalischen Lehrbuche zu
finden sind, so dass deren Wiederholung recht überflüssig erscheint. Was nun die
eigentliche Messtechnik betrifft, so ist im vornehmem zu betonen, dass sich die
Beschreibungen mehr auf die subtileren physikalischen Laboratoriumsmessungen
beschränken, welche mit dem wirklichen praktischen Bedürfnisse nicht identifiziert
werden dürfen, weshalb auch der praktische Wert der diesbezüglichen Ausführungen um
so fraglicher erscheint, als die technische Litteratur wertvolle Bücher, welche
dieses Gebiet behandeln, in Hülle und Fülle besitzt. Auf einige kleine Irrtümer und
auf die Behandlung veralteter Methoden sei hier einzugehen verzichtet. Die
sprachliche Behandlung, welche manches zu wünschen übrig lässt, sei dem Umstände
zugeschrieben, dass sich der Verfasser in einem ihm doch mehr oder minder nicht ganz
geläufigen Idiom bewegt. Trotz alledem zeigt das Werk von einer unleugbaren Begabung
des Verfassers und darf daher der Hoffnung Raum gegeben werden, dass derselbe
fortschreitend manches Gute zu schaffen in der Lage sein wird. Druck und Ausstattung
des Werkes sind vorzüglich.
A. P.
Praktische Ratschläge für Automobilisten. Sammlung von nützlichen Kenntnissen, Verhaltungsmassregeln und Auskunftsmitteln bei Betriebsstörungen für Fahrer von Benzinmotorwagen.
Von L. Baudry de Saunier. Autorisierte Uebersetzung von Hermann A. Hofmann. Wien 1901. A. Hartleben.
Der bekannte Verfasser des zweibändigen Werkes „Das Automobil in Theorie und Praxis“, der an jener Stelle den
Automobilliebhaber in die Grundbegriffe der Technik des Motorfahrzeugs einweihte,
stellt im vorliegenden Bändchen dem Automobilfahrer ein wertvolles Vademecum zur
Seite, das insbesondere jedem nicht technisch ausgebildeten „Chauffeur“ warm
empfohlen werden kann. In diesen praktischen Ratschlägen findet er alles, was für
die Behandlung seines Fahrzeugs und für sein eigenes Verhalten in den Wechselfällen
der Fahrt von Wichtigkeit ist, in der dem Verfasser eigenen, speziell dem
Laienverständnis angepassten klaren und wirkungsvollen Darstellungsweise
vorgetragen.
Der Sachverständige dürfte leicht an der vom technischzeichnerischen Standpunkt aus
nicht einwandfreien Ausführung vieler Abbildungen Anstoss nehmen. Doch erklärt sich
diese Erscheinung, die man übrigens auch in streng technischen Darstellungen
französischer Herkunft nicht selten wahrnehmen kann, hier wohl aus dem Bestreben,
für den Laien alles zum äusserlichen Verständnis nicht unbedingt Notwendige beiseite
zu lassen.
Zuschrift an die Redaktion.
In Nr. 25 Ihrer geschätzten Zeitschrift vom 21. Juni d. Js. bringen Sie eine
Mitteilung über „Die Kostenfrage des Spiritus-Motorbetriebes“, die in einigen
Punkten den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht.
Der Verfasser behauptet zunächst, dass Spiritus die doppelte Heizkraft besitzt als
Kohle: das ist nicht richtig. Steinkohlen mittlerer Güte besitzen pro Kilogramm 7000
W.-E., Braunkohlen etwa 5000, der Heizwert des Spiritus von 86 % Gewicht, welcher
für die technische Verwendung hauptsächlich in Betracht kommt, ist höchstens mit
6100 W.-E. in Rechnung zu setzen. Dabei ist angenommen, dass das Wasser bei der
Verbrennung wieder in den flüssigen Zustand zurückgeführt wird. Ferner sind 500 g
Spiritus nicht weniger, sondern mehr als ½ l. Da das spezifische Gewicht des
Spiritus von 86 % Gewicht 0,833 ist, so sind 500 g gleich 0,6 l; bei höherem
Prozentgehalt ist das Volumen noch grösser.
Der Verfasser nimmt dann den Preis des Spiritus zu 25 M. pro 100 l an, auch dieses
entspricht den Thatsachen nicht. Die Zentrale für
Spiritusverwertung in Berlin hat auf Jahre hinaus den Preis des Spiritus,
welcher zu Kraftzwecken verwendet wird, auf 15 bezw. 16 M. pro 100 l festgesetzt.
Die Preisschwankungen sind damit auf Jahre hinaus beseitigt.
Ein guter Spiritusmotor gebraucht nun durchschnittlich für die Pferdekraftstunde 0,45
l Spiritus von 86 % Gewicht. Es kostet demnach die effektive Pferdekraftstunde 0,45
. 16,0 = 7,2 Pfg. und nicht 12,5, wie der Verfasser angibt. Demnach würden auch die
Fetriebskosten für die beiden Harburger Probefahrzeuge der Motorenfabrik Marienfelde sich von 2 M. auf 1,15 reduzieren.
Der Verfasser verwechselt offenbar den eigentlichen Spiritusmotor mit der
Spiritusdampfkesselheizung, wenigstens muss man das nach seinen Ausführungen
schliessen. Es wird natürlich keinem vernünftigen Menschen einfallen, für dauernde
grosse oder mittlere Betriebe eine Spiritusheizung zu empfehlen, denn diese stellt
sich etwa 12mal so teuer wie die Kohlenfeuerung. Dagegen ändern sich die
Verhältnisse bedeutend, wenn man den Spiritus direkt in Verbrennungskraftmaschinen
verwertet.
Der Artikel der Deutschen Tageszeitung, welchen der
Verfasser anführt, ist allerdings geeignet, die ganze Frage der Verwendung des
Spiritus für Kraftzwecke in ein bedenkliches Licht zu stellen, was um so mehr zu
bedauern ist, als er das Gegenteil anstrebte.
Wenn man grosse Ozeandampfer mit Spiritus antreiben will, so können hier wohl nur
eigentliche Spiritusmotoren in Betracht kommen. Dabei muss allerdings dahingestellt
sein, ob man in absehbarer Zeit grosse Verbrennungsmaschinen von mehreren 1000 PS
für flüssige Brennstoffe wird bauen können. Dass der Preis dieser Betriebsweise auch
dann noch grösser sein wird, als die Kohlenfeuerung, darüber ist man sich völlig
klar. Aber so gewaltig sind die Unterschiede in dieser Hinsicht dann nicht
mehr, wie der Verfasser für die Spiritusheizung angibt, besonders wenn man bedenkt,
dass der Spiritusverbrauch bei grossen Maschinen sich noch bedeutend reduzieren
lassen wird. Es wäre dann zu erwägen, ob der höhere Preis durch andere Vorteile
aufgewogen werden kann. Es wird ohne Zweifel anerkannt werden müssen, dass die
Vergrösserung des Aktionsradius, grösserer Laderaum bei sonst gleichen Schiffen,
Verringerung des Bedienungspersonals auch einen gewissen Geldwert bedeuten.
Ich bitte, vorstehende Zeilen in Ihrer geschätzten Zeitschrift aufzunehmen.
Berlin N. 65, den 8. Juli 1902.
Hochachtungsvoll
Karl Fehrmann, Ingenieur,
„Institut für Gärungsgewerbe“.
––––––––––
Spiritus für motorische Zwecke kostete vom
1.
11.
1899
bis
15.
5.
1899
20
M.
(pro
100
l)
5.
5.
1899
bis
31.
10.
1899
21
„
„
Für Rechnung für die Firma Schuchhardt von der
Zentrale
22. 1. 1896
1 Oxhoft denat.
Alkohol 94 %
Br. 217,0 kg
Tr. 49,5 „
–––––––––––––
No. 167,5 kg
91,2 Gew.-% 193 l
23
M. pro 100 l
45,90 M.
8. 12. 1900
1 Oxhoft denat.
Alkohol 94 %
Br. 246,0 kg
Tr. 61,0 „
–––––––––––––
No. 185,0 kg
94 Vol.-% 226 l
31
M. pro 100 l
70,1 M.
(Eine Lebensfrage des Spiritusglühlichts von Karl Zehnpfund, Fabrikdirektor. Berlin SO. Druck von
Walther Peck, Berlin W, Schönebergerufer 36 c, Seite 13 und 14.)
Trotz aller Preisreduktionen und aller sonstigen ganz unbestrittenen und auch günstig
beurteilten Vorteile der Spiritusheizung werden alle nach dieser Richtung hin
aufgestellten Berechnungen einen mehrfach grösseren
Kostenaufwand, namentlich für grössere und lange fahrende Schiffe, also für
Ozeanliner hauptsächlich ergeben. Maschinen von 15000 PS für flüssige Brennstoffe
(Mazut) hat man längst, zuerst auf dem russischen Linienschiff „Rostilaw“,
abgelaufen am 2. September 1896. An Stelle des Mazut soll aber – so wünscht man –
Spiritus treten, an Spiritusmotoren hat man für grosse
Schiffe noch ebensowenig gedacht wie an Turbinenmaschinen – d.h. in der Praxis.
Berlin.
Franz Eisenhardt.